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Auf den Spuren des Wassers

Wie trocken ist Chiles Atacama-Wüste und woher kommt das wenige Wasser?

In Chile erforschen Kölner Wissenschaftler die klimatischen   Bedingungen der Atacama-Wüste. Sie leisten damit Pionierarbeit, denn bisher ist wenig darüber bekannt, wie trocken   dieser extrem trockene Fleck Erde überhaupt ist und wie das bisschen Feuchtigkeit in die Wüste gelangt.  

Von Jan Voelkel

Die Meteorologen haben ein Netz aus 15 Stationen in der Wüste installiert, die regelmäßig gewartet werden müssen.

Steht man an der Schlucht des Rio Loa   im chilenischen Teil der Atacama-   Wüste, wähnt man sich am Grand   Canyon. Eine riesige Schlucht schneidet sich   steil und tief in das Land, die rotbraune Erde   ist staubtrocken und die Sonne brennt. Am   späten Nachmittag geht es aber ganz schnell   und das Wetter schlägt um. Ein starker Wind   kommt auf und in einiger Entfernung bahnen   sich Nebelwolken den Weg in das Tal.   »Man erwartet so kalte Winde eigentlich   nicht in der Wüste«, sagt der Meteorologe   Dr. Jan Schween vom Sonderforschungsbereich (SFB) 1211 – Evolution der Erde und des   Lebens unter extremer Trockenheit. »Aber   der Wind bläst dann so laut, dass man sich   nicht mehr unterhalten kann.«          

Wind und Wolken bringen ein kleines   bisschen Feuchtigkeit in die Region, die eine   der trockensten der Erde ist. »Wir sind hier   auf der Suche nach den Ursprüngen und   Wegen des Wassers, das in diese extrem   trockene, so genannte ›hyperaride‹ Umgebung   gelangt«, sagt Schween, der mit seinen   Kollegen die klimatischen Bedingungen   in der Atacama erforscht. Die Kenntnis des   heutigen Wasserhaushalts in der Atacama   ist unerlässlich, um die verschiedenen Lebensformen   zu untersuchen, die sich an das hyperaride Klima angepasst haben. »Wir können daher zum Einen helfen, das   Wüstenklima besser zu verstehen«, sagt der Meteorologe. »Aber auch für die Biologen   oder Geomorphologen, die zum Beispiel erforschen, wie sich Landschaften bilden und   formen, sind die Daten interessant.«  

Die Schlucht des Rio Loa gräbt sich tief in den Wüstenboden. Der Fluss ist einer der längsten Chiles. Er entspringt in den Anden und mündet im Pazifik.

Pionierarbeit in der Wüste  

Meteorologische Studien über die Atacama-   Wüste sind aufgrund fehlender Messungen in diesem abgelegenen Gebiet bisher selten.   Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler   des SFB leisten Pionierarbeit und   nutzen neben Fernerkundungsmethoden   wie Satelliten, die vom Weltraum aus die   Atacama beobachten, auch Instrumente, die   vom Boden aus in die Atmosphäre schauen. Schween und seine Kollegen haben etwa ein   Netz aus 15 gezielt platzierten Wetterstationen   in der Wüste installiert.

Damit ist es   erstmals möglich, viele meteorologische   Parameter in der Atacama an verschiedenen   Orten gleichzeitig zu beobachten und   zu untersuchen, wie viel Wasser als Regen,   Nebel oder Wasserdampf überhaupt in die Wüste gelangt. »Wir wissen, dass die Atacama   seit Millionen von Jahren hyperarid ist, dennoch sieht man Spuren von Wasser:   Bach- und Flussbetten, Schwemmfächer, Seeböden«, sagt Schween. »Die Stationen   messen im Sekundentakt und liefern alle 10   Minuten Daten, die uns helfen zu verstehen, was Trockenheit in der Atacama eigentlich   bedeutet.«  

Neben den klassischen meteorologischen   Daten wie Temperatur, Feuchte oder Wind   sind die Stationen darauf spezialisiert zu   ermitteln, wie groß die Energieflüsse sind: Wie stark die Einstrahlung durch die Sonne   ist und wieviel Energie der Boden über   Infrarotstrahlung wieder abgibt, oder wie   stark sich die Bodenoberfläche aufheizt. Wie ist die Feuchte und Durchfeuchtung des Bodens   in verschiedenen Tiefen? »Wir haben   Blattfeuchte-Sensoren, die uns sagen, ob Nebel oder Tau   Oberflächen benetzen. Damit können wir ableiten wie oft   Nebel vorkommt, wie lange   er andauert und wann und   unter welchen Bedingungen   er sich wieder auflöst.« Die   Stationen stehen in verschiedenen   Höhen und fangen an   der Küste, also wenige Meter über dem Meeresspiegel   an und gehen dann in verschiedenen   Schritten bis auf 2.500 Meter hoch.  

Windmessungen und Wolkenradar  

Zusätzlich hat das Team einen Satz von Fernerkundungsinstrumenten   für ein Jahr auf   dem Flughafen von Iquique an der Küste installiert.   Mit diesen Instrumenten lässt sich   die Atmosphäre vom Boden aus vermessen.   Ein Mikrowellen Radiometer erlaubt die   Bestimmung von Temperatur und Feuchte, ein Wolkenradar liefert die Wolkenhöhen   und Informationen über Größe und Anzahl   der Tröpfchen in der Wolke und schließlich   bestimmt ein Doppler-Lidar die Windgeschwindigkeit   und -richtung in der Höhe.  

Satellitenbilder zeigen, dass Wolken über der Atacama Mangelware sind. Die Wolkenbildung kann man hier live verfolgen: http://gop.meteo.uni-koeln.de/~jschween/dry-limit/goes/goes16/

Auf Basis dieser Daten werden die Forscher   einen einzigartigen Einblick in die Dynamik   von Stratocumulus-Wolken gewinnen. Diese   Wolken bedecken ein weites Gebiet des westlichen   Pazifiks, und da sie die Sonnenstrahlung   effektiv reflektieren und die Luft darunter   kühlen, spielen sie eine wichtige Rolle   für das Klima unseres Planeten insgesamt.   Außerdem berühren diese Wolken oft die   Klippen an der Küste der Atacama, wo sie als   Nebel erscheinen, dessen Wasser die Quelle   für Leben in einer Reihe von Nebeloasen entlang   der Pazifikküste ist. »Unsere Messungen   liefern neue Erkenntnisse über die Dynamik   dieser Wolken. Wir können erkennen, wie sie sich bilden, welche Eigenschaften sie haben   und wie sie sich im Laufe des Tages – aber   auch im Laufe eines Jahres – verändern«, so   Schween.  

Wo bleibt die Feuchtigkeit?  

Beide Datensätze ermöglichen gemeinsam   die Beschreibung des lokalen Klimas und   der Wasserverfügbarkeit in bisher nicht   gekannter Detailgenauigkeit. Für die aktuelle   zweite Förderphase des SFB hat sich   Schween zum Ziel gesetzt, nicht nur weitere   Stationen aufzustellen und zu erforschen, ob   und wie Feuchtigkeit in die Wüste kommt, sondern auch, wo sie daraufhin bleibt. »Wir   wissen jetzt, dass der Wind morgens landeinwärts   feuchter und nachts landauswärts   trockener ist. Aber wo das Wasser bleibt, ist   noch immer ein Rätsel«, sagt Schween. Man   könnte annehmen, dass es auf die Hochebene   des Altiplano transportiert oder in der   Höhe zurückzirkuliert wird. Im letzteren   Fall müssten sich aber Wolken formen. Oder   die Feuchte bildet Tau oder Nebel am Boden.   »Meine Hochrechnungen haben ergeben, dass an einem Tag etwa so viel Feuchte in   den Korridor am Rio Loa in die Wüste hineintransportiert   wird, wie in drei Jahren an   Niederschlag fällt. Für solche Wassermengen gibt es allerdings keine Anzeichen in der   Landschaft«, erklärt der Meteorologe. 

 Um die Vorgänge in der Atacama noch   besser zu verstehen und erklären zu können, wollen die Arbeitsgruppen des SFB daher in   der laufenden Förderphase bestimmte Modellierungen   ausprobieren, um herauszufinden, welche Wege das Wasser noch geht.   Dafür müssen sie sich wohl oder übel noch das ein oder andere Mal den Wind um die   Ohren blasen lassen  

Der SONDERFORSCHUNGSBEREICH 1211 »EVOLUTION DER ERDE UND DES LEBENS UNTER EXTREMER TROCKENHEIT« erforscht die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Landschaftsentwicklung und der Evolution des Lebens. Während in der ersten Förderphase der chilenische Teil der Atacama-Wüste im Fokus stand, werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der kommenden Periode auch in der Namib in Namibia forschen. Der SFB 1211 ist ein Verbundprojekt der Universitäten Köln (Sprecherhochschule) und Bonn sowie der RWTH Aachen und umfasst ein internationales Team aus über achtzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen. So erforschen beispielsweise Biologen die Verwandtschaftsbeziehungen von Pflanzenpopulationen, die praktisch ohne Regen in der kargen Landschaft wachsen. Geologinnen können anhand von Bohrkernen das Wüstenklima der letzten zwei Millionen Jahre rekonstruieren. Meteorologen analysieren mit Wetterstationen und Satelliten die Beziehungen von Land, Meer und Atmosphäre. In der Geomorphologie wird ermittelt, welchen Einfluss die extrem trockenen Bedingungen in der Wüste auf die Formung von Landschaften haben.