skip to content

 

Afrika-Forschung in Köln

 Von Robert Hahn

Afrika ist einer der großen Forschungsschwerpunkte an der Universität zu Köln. Für Afrikanisten und zahlreiche Archäologen und Ethnologen steht die Erforschung des Kontinents seit den sechziger Jahren im Mittelpunkt ihrer Wissenschaft. Ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass Felsbilder in Namibia, Ägypten und dem Tschad wissenschaftlich erschlossen wurden. Bisher unbekannte Sprachen wurden untersucht, regionale Formen der Kultur und des Wirtschaftens beschrieben und die Klimageschichte nördlich des Äquators rekonstruiert.

Die intensive Afrikaforschung in den drei Fächern bot Wissenschaftlern anderer
Fachrichtungen immer wieder die Möglichkeit, mit eigenen Forschungen hinzuzutreten, so etwa Ägyptologen, Historikern, Botanikern, Geographen oder Wirtschaftswissenschaftlern. Eine Erfolgsgeschichte, die ihre Gründe in der Vielfalt der Fächer und ihrer engen Zusammenarbeit, aber auch in der Komplexität der Forschungsfragen hat.

Sonderforschungsbereiche und mehr

Die in Köln entwickelten Kompetenzen trugen Früchte. So wurde von 1995 bis 2007 der Sonderforschungsbereich 389 „ACACIA“ zum großen Teil von Kölner Wissenschaftlern durchgeführt. Mit der Gründung des Cologne African Studies Center (CASC) im Jahr 2008 wurde ein weiterer Schritt getan, um die Kompetenzen der Fächer zu vernetzen und den Forschungsschwerpunkt in Köln zu stärken. An dem neuen Sonderforschungsbereich 806 „Our way to Europe“, der im Jahr 2009 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt wurde, sind die Wissenschaftler der Universität zu Köln federführend beteiligt. Das interdisziplinär angelegte Forschungsprojekt soll den Weg des Homo sapiens von Afrika nach Europa, die umweltgeschichtlichen Rahmenbedingungen und die zugrunde liegende Populationsdynamik mit Hilfe von archäologischen und naturwissenschaftlichen Methoden erforschen.

Starke Disziplinen arbeiten zusammen

Für Professor Michael Bollig vom Institut für Ethnologie ist die Vielfalt der Kölner
Forschungslandschaft einer der Faktoren des Erfolgs: „Die Afrikaforschung in
Köln ist sehr breit aufgestellt. Wenn man alleine die Philosophische Fakultät betrachtet, gibt es da sehr unterschiedliche Orientierungen.“ Bollig kennt die Arbeit seiner Kollegen durch die langjährige Zusammenarbeit am SFB „ACACIA“. Starke Partner mit einmaligen Fähigkeiten und Erfahrungen – darin sieht er das Plus der Kölner Forschung. Ein sehr starker sprachwissenschaftlicher Zweig mit Forschung und Lehre in mehreren afrikanischen Sprachen sei einzigartig in Deutschland. Daneben gebe es zwei Professuren im medienwissenschaftlichen Bereich bei Afrikanisten und Ethnologen: „Ich wüsste kein Institut in Deutschland, das in diesem Fachbereich ähnlich stark aufgestellt ist.“ Die Afrikaarchäologie mit Besonderheiten wie der Felsbildforschung gebe es mit dieser Ausrichtung nur in Köln.

Auch Bolligs eigenes Institut hat im Laufe der Jahre besondere Kompetenzen aufgebaut: „Wir verfügen hier in der Ethnologie über eine wirtschaftswissenschaftliche und kulturökologische Ausrichtung. Das ist bis zu einem gewissen Grad ein Alleinstellungsmerkmal.“ Hinzu kommen die Konfliktforschung (siehe Artikel „Mittel für den Frieden finden“) und medienwissenschaftliche Forschungen. International genießt das Institut ein hohes Ansehen, was nicht zuletzt durch regelmäßige Lehr- und Forschungsaufenthalte international renommierter Gäste bestätigt wird – zuletzt des Humboldtpreisträgers Terry McCabe von der University of Colorado. Aufgrund der exzellenten Arbeit gelingt es dem Institut immer wieder, Drittmittelprojekte einzuwerben, wie jüngst zwei von der DFG geförderte Forschungsprojekte in Kenia, Südafrika und Namibia. Doch neben den Erfolgen sieht Bollig auch Verbesserungsbedarf: „Was uns immer wieder fehlt, ist eine Professur für afrikanische Geschichte. Neben der exzellenten archäologischen Forschung und den gegenwartsbezogenen Forschungen der Ethnologie, fehlt die Geschichte als Bindeglied“, sagt Bollig. „Wir sollten hier in den nächsten zwei oder drei Jahren unbedingt die vorhandenen Strukturen ausbauen.“

Verbindungen aufbauen

Ein weiterer Grund für die erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit der Kölner Forscher liegt in den engen Beziehungen zu den Universitäten und Institutionen in Afrika, die sich durch jahrelange intensive Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern aufgebaut haben. Wichtig ist dem Ethnologen dabei der Kapazitätsaufbau an afrikanischen Universitäten. Ein Mittel dazu ist zum Beispiel der interdisziplinäre Master- Studiengang Culture and Environment in Africa (CEA), in dem pro Jahr sechs Stipendien vom Akademischen Auslandsamt der Universität zu Köln an afrikanische Studenten vergeben werden.

Die Bedeutung der wissenschaftlichen Ausbildung von jungen Afrikanern kann
auch Professor Gerritt Dimmendaal vom Institut für Afrikanistik nur unterstreichen. Der Experte für nilo-saharanische Sprachen arbeitete zehn Jahre lang mit der Universität in Addis Abeba zusammen und betreute dabei die Doktorarbeiten junger Wissenschaftler. „Wenn die Afrikanistik in Afrika keine Rolle mehr spielt, dann ist das schlimm. Deswegen ist das capacity building sehr wichtig“, so Dimmendaal. Die Weiterentwicklung und Erhaltung der linguistischen Kompetenzen an den afrikanischen Universitäten kommt auf dem vielsprachigen Kontinent für den Unterricht von Kindern in ihrer eigenen Muttersprache besondere Bedeutung zu, so Dimmendaal: „Dazu braucht man Leute, die sich damit auskennen, wie man die Sprache weiterentwickelt und Lehrmaterialien entwirft.“ Ein ähnliches Projekt unterstützt der Wissenschaftler mittlerweile an der Universität von Khartoum im Sudan.

Vor Ort forschen – interdisziplinär forschen

Dimmendaal ist Sprachwissenschaftler, dessen Schwerpunkt auf der empirischen Forschung der Sprachen vor Ort liegt. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen erschließt der Wissenschaftler noch kaum erforschte Sprachen in Ostafrika, im Sudan und in Äthiopien aber auch in Uganda (siehe Artikel „Sprachinsel im Viktoriasee“), in Nigeria sowie in Kamerun. Viele der kleinen Sprachen sind in ihrer Existenz bedroht, ein Ansporn für den Linguisten: „Vielleicht wird man es uns in hundert Jahren vorwerfen, wenn wir diese Sprachen jetzt nicht dokumentieren.“ Die unglaublich reiche immaterielle Kultur des Kontinents und seine orale Tradition auch der Öffentlichkeit zu vermitteln, liegt dem Wissenschaftler am Herzen. Denn viel zu oft würde das Bild Afrikas nur als verzerrtes Klischee des krisengeschüttelten Kontinents wahrgenommen. Der 2009 durchgeführte World Congress of African Linguistics zeigt, dass die Arbeiten der Kölner Linguisten international überaus positiv bewertet werden. Auch Dimmendaal war an „ACACIA“ beteiligt. Der Kölner Afrikanist schätzt den interdisziplinären Ansatz: „Es ist eine Bereicherung für die eigene Forschung, mit anderen Fächern zusammenzuarbeiten, es erweitert die eigene Wahrnehmung“, erklärt er.

Empirische Forschung und strukturelle Entwicklung

Die Bedeutung von empirischer Forschung in Afrika und langfristig aufgebauten Verbindungen auf dem Kontinent kennt auch Hans-Peter Wotzka, Leiter der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und Frühgeschichte. Von Nordost bis Südwest zieht sich das Forschungsgebiet der Kölner Wissenschaftler durch die Wüstengebiete Afrikas. Ob prähistorische Felsbilder oder pharaonische Karawanenwege, antike Wüstenfestungen oder Klimaforschung – die Arbeiten der Kölner Forscher genießen
für ihre archäologischen und naturwissenschaftlichen Feldforschungen zur Geschichte menschlicher Lebensformen in den Trockengebieten internationales Ansehen in der Forschergemeinschaft. „Die Stärken der Forschungsstelle Afrika
liegen in der empirischen Arbeit im Gelände. Wir schaffen uns die logistischen
Voraussetzungen, in diesen schwierigen Ländern im Gelände zu arbeiten“, erklärt der Archäologe. „Wir fahren hin, nehmen Materialien auf und publizieren die empirisch gewonnenen Daten ausführlich.“ Auch zurzeit sind wieder wissenschaftliche Expeditionen der Forschungsstelle in Äthiopien, dem Nord-Sudan und dem Tschad unterwegs.

Der empirische Ansatz der Forschungsstelle hat vor allem einenunschlagbaren Vorteil, so der Wissenschaftler: „Empirische Arbeiten bringen, was letztlich bleibt, nämlich die Basis für Schlussfolgerungen. Und ich glaube, darin sind wir ganz gut.“ Beziehungen verstetigen Mit der Gründung des Heinrich-Barth-Instituts im Jahr 1989 wurde in Köln ein Verein gegründet, der die Afrikaarchäologie unabhängig von einzelnen Projekten machte, die Beziehungen zu afrikanischen Partnern intensivierte und mit seinen umfangreichen Publikationen in der Fachwelt bekannt ist. Der Vereinsname dient zugleich als Verlagslabel der an der Forschungsstelle Afrika herausgegebenen Bücher. „Wir bringen sehr ausführlich die empirischen Daten in unsere Publikationen, und das ist ein Vorteil, der auch weltweit anerkannt wird“, erklärt Wotzka. Auch in den geographischen Gebieten, die im Fokus der Wissenschaftler liegen, beobachtet man die Arbeit der Forschungsstelle mit großem Interesse. So ergaben sich im Laufe der Zeit Beziehungen zu Wissenschaftlern, Regierungsvertretern und lokalen Autoritäten, die sich als unschätzbar für das Gelingen der wissenschaftlichen Expeditionen erwiesen haben. Die über lange Zeit entwickelten fachlichen Fähigkeiten der Forschungsstelle kommen nicht zuletzt auch interdisziplinären Projekten zugute, wie dem Sonderforschungsbereich „ACACIA“, an dem Wotzka und seine Kollegen mitgearbeitet haben, oder dem neuen SFB „Our Way to Europe“, an dem ebenfalls Wissenschaftler der Forschungsstelle beteiligt sind.

Die Zukunft der Afrikaforschung an der Universität zu Köln steht also auf festen Füßen. Durch die Gründung des CASC steht nun auch eine zentrale Koordinationsinstitution zur Verfügung, die die interdisziplinären und interfakultären Verbundforschungsprojekte unter einem gemeinsamen Dach zusammenfassen sowie zukünftige Forschungsprojekte initiieren wird. Mit der Durchführung wesentlicher Teile des Sonderforschungsbereiches 806 „Our Way to Europe“ wird die Erforschung der frühen Geschichte des Kontinents in den nächsten Jahren fortgesetzt. Afrika, die Wiege des modernen Menschen, bleibt weiterhin ein Forschungsschwerpunkt Kölner Wissenschaftler.