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Unbefleckt!

Forschung mal anders: Wie sähe eine Welt ohne »biologische« Männer aus?

Text von Frieda Berg

Wie sähe eine Welt ohne »biologische« Männer aus? Diese hypothetische Frage ist auf den ersten Blick Stoff für die Gender Studies. Wenn das soziale Geschlecht nämlich gesellschaftlich konstruiert ist, dann kann ja jede Funktion, die es für eine intakte Gesellschaft braucht, auch von einer Frau oder einem sonstigen Geschlecht erfüllt werden: Wir alle können in der Theorie rechnen, debattieren, reparieren, kombinieren, schuften, triumphieren, uns profilieren usw.

Das Problem einer reinen Frauengesellschaft, um das Kind beim Namen zu nennen, heißt aber natürlich: Keine Männer, kein Samen, das Ende. Oh Schreck!

Steht und fällt also alles mit der Potenz des Mannes? Mutter Natur hat auch Alternativen parat, wie der Blick auf die Hornmilbe zeigt, einer, sagen wir mal, »femme totale«. Sie ist ausgesprochen alt (etwa 380 Millionen Jahre), haust wie eine Wilde im Wald (wo sie sich genussvoll im Moos wälzt) und es gefällt ihr gar nicht, wenn man ihr die Heizung andreht (je nasskälter das Klima, desto besser). Kurzum: sie ist in ihrer Agenda durch und durch auf Self-Love und Self-Care ausgelegt.

Das kann sie sich auch erlauben, denn sie reproduziert sich asexuell. So muss sie niemand anderes anziehend finden. Die Hornmilbe gehört zu den raren ein Prozent der Lebewesen, die ihren Genpool kaum bis gar nicht mit anderen Individuen mischen, sondern sich einfach immer selbst klonen. Ja, das geht! Der Vorteil: Wenn man zu anderen auf körperliche Distanz geht, dann kann man sich auch nichts einfangen. Sexuell übertragbare Krankheiten kennt die Hornmilbe nicht. Und ohne die sozialen Pflichten einer partnerschaftlichen Beziehung hat man mitunter sogar weniger Stress.

So fällt auf, dass die unhorny Hornmilbe verhältnismäßig lang lebt, nämlich bis zu drei Jahre, in denen sie tiefenentspannt tagtäglich waldbadet und darüber hinaus Herrin über die Waldgesundheit ist. Ein Job mit Verantwortung. Wieso sich die Evolution trotzdem zur magischen Zusammenkunft von Eizelle und Spermium in 99 Prozent der Spezies durchgerungen hat, ist spannender Stoff für die genetische Wissenschaft.

Emmy Noether-Gruppenleiter Dr. Jens Bast untersucht an asexuellen Lebewesen wie der Milbe oder bei Stabheuschreckenarten, was die Weibchen dieser Arten von uns substanziell unterscheidet. Bast fragt also im Umkehrschluss: Warum haben wir eigentlich (noch) Sex? Zeigt uns doch die Hornmilbe ein Füllhorn an Alternativen zum sich die Hörner Abstoßen.

 

Mehr Informationen:
The Bast Lab