Mit einem fliegenden Observatorium können Kölner Astronominnen und Astronomen tief ins Weltall schauen. Bei einem Beobachtungsflug entdeckten sie nun, dass Sterne vielleicht ganz anders entstehen, als bisher angenommen.
Der Orionnebel ist mit dem bloßen Auge von der Erde im Schwert des Sternbilds Orion zu sehen. Sein Zentrum strahlt hell wie ein Stern, doch eigentlich ist er eine Gaswolke, die hauptsächlich aus Wasserstoffmolekülen besteht. Astronomen fasziniert dieser Nebel, weil er eines der aktivsten Gebiete der Sternentstehung in unserer galaktischen Nachbarschaft ist. An der Uni Köln spähen deshalb Forscherinnen und Forscher am Sonderforschungsbereich 956 »Bedingungen und Auswirkungen der Sternentstehung« mit speziellen Instrumenten in die Tiefen des Nebels.
Wie ein Schneepflug, der die Straßen räumt
Eine Explosion am Ende eines Sternenlebens – die Supernova – galt bislang als entscheidend dafür, wo und wie neue Sterne in der nächsten Generation entstehen. Ein Team unter Kölner Beteiligung hat nun herausgefunden, dass bei diesem Prozess noch andere Kräfte am Werke sind. Dr. Ronan Higgins vom SFB 956 ist Teil dieses Forschungsteams, das von der Universität Leiden geleitet wird. Er und seine Kollegen haben ein überraschendes Phänomen im Orionnebel beobachtet: »Der junge, besonders helle Stern Theta Orionis C erzeugt Winde, die verhindern, dass in seiner Nähe weitere Sterne entstehen«, sagt Higgins. Diese Winde formen Blasen, die das Material für neue Sterne einfach wegwehen. »Das kann man sich vorstellen wie bei einem Schneepflug, der die Straßen in der Nachbarschaft räumt, indem er Schnee an den Rand drückt«, erklärt der Astronom. Dieser Vorgang reguliert und steuert im Orionnebel die Sternentstehung. Während der Wind des jungen Sterns die unmittelbare Nachbarschaft »aufräumt«, drückt er gleichzeitig das Molekulargas an die Ränder des Nebels und bildet neue Regionen aus dicht gepacktem Material. Daraus können sich wiederum in Zukunft neue Sterne bilden.
Das Stratosphären-Observatorium schaut tief in den Nebel
Um diese Vorgänge überhaupt untersuchen zu können, mussten die Astronomen tief in den Orionnebel schauen. Und das ist nicht einfach, denn ein Gasschleier verdeckt den direkten Blick ins Innere. Infrarotes Licht kann diesen Schleier zwar durchdringen, bei Beobachtungen vom Boden aus wird dieses Licht aber vom Wasserdampf der Erdatmosphäre abgeblockt. Die Lösung: In etwa 13 Kilometern Höhe über den Wasserdampf hinweg fliegen.
Hierfür nutzen die Astronomen eine umgebaute Boeing 747, ausgestattet mit ausgeklügelter Technik, hochsensiblen Instrumenten und einem Teleskop mit 2,7 Metern Durchmesser. Das Flugzeug trägt den Namen SOFIA (Stratosphären-Observatorium für Infrarot- Astronomie) und ist ein gemeinsames Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der NASA. Seit 2011 blicken Astronomen und Astronominnen mit SOFIA bei jährlich rund 160 Beobachtungsflügen in die Tiefen des Weltalls. An Bord der Maschine sieht es aus, als würden Astronauten eine LAN-Party veranstalten. Überall stehen Monitore und Rechner, zwischen denen Männer und Frauen in Overall-Uniformen mit NASA-Aufnähern hin und her laufen. Ein Observationsflug dauert rund acht bis zehn Stunden.
SOFIA
Film über das Flugzeugobservatorium des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
Die jetzt in der Fachzeitschrift »Nature« veröffentlichten Orion-Beobachtungen wurden mit dem in Deutschland entwickelten und gebauten GREAT-Instrument durchgeführt. GREAT ist ein hochauflösender Empfänger für Ferninfrarot-Spektroskopie, der eine detaillierte Erforschung des Orionnebels erlaubt und die Daten für die neuen Forschungsergebnisse lieferte. Im infraroten Bereich kann man Dinge beobachten, die dem Auge gewöhnlich verborgen bleiben. Wo wir normalerweise nur Sterne und Planeten sehen, sieht man im infraroten Bereich die Spektrallinien von Atomen und Molekülen.
GREAT/upGREAT
GREAT (German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies) wurde durch ein Konsortium deutscher Forschungsinstitute unter Beteiligung der Uni Köln entwickelt und gebaut.
Die Orion-Beobachtungen nutzen die sogenannte Feinstrukturlinie von ionisiertem Kohlenstoff: Über die Dopplerverschiebung der Spektrallinien können die molekularen Strömungen, die in und um Sterne verlaufen, gemessen werden. Astronomen verwenden GREAT ähnlich wie ein Polizist eine Radarpistole bei Verkehrskontrollen. Das Radarsignal wird vom vorbeifahrenden Auto reflektiert und gibt so eine Information darüber, wie schnell es ist. In gleicher Weise verwenden die Wissenschaftler die spektrale Signatur des ionisierten Kohlenstoffs, um die Gasgeschwindigkeit an allen Stellen des Orionnebels zu ermitteln. Damit untersuchen sie die Wechselwirkung zwischen den Gaswolken und den Sternen im Orionnebel.
Immer auf dem neuesten Stand der Technik »GREAT macht eine großräumige Beobachtung in einer sehr hohen Auflösung möglich«, sagt Higgins. »Im Vergleich zu früheren Instrumenten erlaubt der Empfänger die Beobachtung großer Regionen in kürzerer Zeit, etwa 80-mal schneller als mit bisher verfügbaren Instrumenten.« Neben der enormen Präzision ist ein weiterer großer Vorteil von SOFIA und GREAT, dass die Komponenten ausgetauscht und auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden können. Dies ist bei Weltraumteleskopen, wie etwa dem Hubble, nicht möglich. Der neueste Empfänger an Bord trägt daher auch den passenden Namen upGREAT.
SOFIA und GREAT können ganz neue Antworten über die Vorgänge in unserem Universum geben – auch über die Sternentstehung hinaus: Wie ist das Weltall zusammengesetzt? Wie ist es entstanden und wie formt es sich weiter aus? »Was wir nun herausgefunden haben, war wirklich überraschend«, sagt Higgins über die jüngsten Forschungsergebnisse. »Mit dem Flugzeug und dem Infrarot-Empfänger können wir eine ganz besondere Art von Astronomie betreiben.«
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- Sonderforschungsbereich 956 "Bedingungen und Auswirkungen der Sternentstehung"
- Nature-Artikel