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„Pullach intern“

Professor Jost Dülffer veröffentlicht Studie über Zusammenarbeit von Spiegel und BND von 1969-1972

Es war der Skandal der beginnenden 1970er Jahre in der Bundesrepublik: „Pullach intern“, die Artikelserie des „Spiegel“ über den BND. Die Serie gilt als erste kritische Darstellung des Bundesnachrichtendienstes. Die Veröffentlichung führte zu erheblichen politischen Zerwürfnissen. Der emeritierte Kölner Professor für Neuere Geschichte, Jost Dülffer, gehört zu den vier Professoren und elf weiteren Wissenschaftlern, die in der „Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 – 1968“ (UHK/BND) forschen. Nun hat der Historiker seine Studie „Pullach intern. Innenpolitischer Umbruch, Geschichtspolitik des BND und ‚Der Spiegel‘, 1969-1972” veröffentlicht. 

Darin beschreibt er die Zusammenarbeit zwischen dem BND und dem Spiegel-Journalisten Hermann Zolling, als deren Folge die 14teilige Artikelserie im Spiegel erschien. Dülffer dokumentiert in seiner Studie minuziös die Kooperation zwischen den zwei gegensätzlichen Partnern, die für den BND und das Kanzleramt in einem politischen Skandal endete. 
 

Kooperation von gegensätzlichen Partnern

Professor Dr. Jost Dülffer erforscht in der UHK den BND in der Innenpolitik der 60er Jahre. Warum kam es zur Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienst und Nachrichtenmagazin? „Der BND wollte seine eigene Geschichte in der Öffentlichkeit gut dargestellt wissen“, erklärt Dülffer. „Der Geheimdienst hoffte, endlich mal den Schild des BND ‚so sauber und rein darzustellen wie es noch nie war:‘ Das hatte der Spiegel-Journalist Hermann Zolling dem BND versichert .“ Von der Gründung seiner Vorläuferorganisation bis zum Jahr 1968 wurde der BND von einem Mann geprägt: Reinhard Gehlen, der Generalmajor in der Wehrmacht gewesen war. „Als Gehlen 1968 ging, stellte sich regierungsintern ein sehr großer Aufholbedarf an Reformen heraus“, stellt Dülffer fest. Der BND hatte trotzdem ein Interesse daran, dass die Zeit Gehlens positiv dargestellt wurde, um für die Zukunft ein makelloses Bild des Geheimdienstes präsentieren zu können. Für den Spiegel andererseits bedeutete die Kooperation, dass er die Fakten in einer tollen Story vom BND selber überprüfen lassen konnte. „Die Story ist vielleicht journalistisch zugespitzt, manchmal auch falsch, aber immer noch die beste Darstellung über den frühen Bundesnachrichtendienst bis heute“, so Dülffer.

Beide Seiten wussten, dass sie der anderen nicht voll vertrauen konnten, so seine Einschätzung. Trotzdem habe der Nutzen für BND und Spiegel überwogen. „Der Spiegel hatte Informationen aus vielen weiteren Quellen und wollte vom BND u.a. noch Informationen über verschiedene BND-Operationen haben, die abgeschlossen waren.“ Dafür durfte der BND im Gegenzug die Artikelentwürfe vor Veröffentlichung durchsehen - eine im Journalismus übliche Vorgehensweise, denn so können faktische Fehler verhindert werden. Der BND und das Kanzleramt andererseits versuchten, die Veröffentlichung von Sachverhalten zu verhindern, die aus Sicht der Politik und des Geheimdienstes vom Spiegel falsch dargestellt worden waren oder die der Geheimhaltung unterlagen.
 

Der Sturm im Wasserglas

„Es war eine Kooperation, die sich zuerst zu beiderseitiger Zufriedenheit anließ“, resümiert Dülffer. „Dann entwickelte es sich mehr und mehr dazu, dass der BND sagte: ‚Schlimmeres verhüten, indem wir kooperieren, sonst schreibendie noch mehr für uns Nachteiliges‘.“ Der „Spiegel“ veröffentlichte im ersten Artikel der Serie schließlich eine Version, die nicht mehr vom BND gegengelesen worden war. Darin behauptete der Spiegel, der Kanzleramtsminister Ehmke habe vom BND Listen mit Klarnamen und Decknamen angefordert, Namen, die jeder Mitarbeiter des BND hatte. „Das Kanzleramt hatte diese Sachen nicht angefordert.Diese Information stimmte nicht“, so Dülffer. Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag deutete die angebliche Preisgabe der Namen als schwerwiegende Beschädigung des BND und wollte damit indirekt auch Kanzleramtsminister Horst Ehmke (SPD) und dessen angeblich sachwidrige linke Politik treffen. Die Bundesanwaltschaft ermittelte pflichtgemäß wegen Landesverrats. Auch innerhalb des BNDs gab es einen förmlichen Aufstand, so Dülffer: „Manche Agenten („Quellen“) sagten ihren Verbindungsleuten: ‚Wir machen nicht mehr mit, wenn diese Sache mit den Klarnamen stimmt. Wir arbeiten nur unter der Bedingung mit, dass die Namen nicht genannt werden‘.“ 

Die Serie löste eine innnepolitische Krise aus, aber die Wogen der „BND-Spiegel“-Affäre glätteten sich  noch im Laufe des Jahres 1971 sowohl im Bundestag als auch in der Öffentlichkeit.