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Los Pikachu – Donnerblitz

Eine Anime-Figur hat Zoolog:innen bei der Namensgebung eines Bakteriums inspiriert

Eine Anime-Figur hat Zoolog:innen bei der Namensgebung eines Bakteriums inspiriert

Dr. Anna Euteneuer


"Ich will der Allerbeste sein.
Wie keiner vor mir war.
Ganz allein schnapp ich sie mir.
Ich kenne die Gefahr..."

Sind sie auch ein Kind der Neunziger? Tönt Ihnen der Titelsong der Fernsehserie im Kopf, wenn Sie an »Pokémon« denken? Man schwelgt in Erinnerungen, mit welchen Herausforderungen Ash, Misty und Rocko in der Anime-Serie konfrontiert wurden. Mit dabei stets die Begleiter Pikachu, eine gelbe Maus, die Stromschläge aus ihren Pausbäckchen abfeuern konnte, und Togepi, ein bemaltes Osterei, das Misty stets mit sich herumtrug.

Noch vor der Fernsehserie kam das gleichnamige Videospiel auf den Markt. Für diejenigen Angehörigen der Generation X, die damals den ganzen Tag ihr Tamagotchi gepflegt, Nirvana gehört oder »Beverly Hills, 90210« geglotzt haben: Ziel des Spiels ist es, kleine »Taschenmonster « einzufangen, zu trainieren und dann gegeneinander antreten zu lassen. Das praktische an Pokémon: Man kann sie, wenn man genug hat und sie einem auf die Nerven gehen, einfach in ihre rotweißen Pokébälle verbannen. Schon hat man seine Ruhe. Ob sich manche Eltern im pandemiebedingten Homeschooling eine so praktische Lösung nicht hin und wieder auch insgeheim für den schulpflichtigen Nachwuchs gewünscht haben? Etwa, wenn man gerade zum gefühlt fünfhundertsten Mal die schriftliche Division erklärt hat und immer noch in leere, verzweifelte Kinderaugen schaut?

Nicht nur bei Eltern ist Pokémon anscheinend geeignet, die Phantasie zu beflügeln. Ein Team von Zoolog:innen um Dr. Kenneth Dumack in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Michael Bonkowski hat eine neue Bakteriengattung entdeckt. Die Bakterien leben als Parasiten in kugelförmigen Einzellern, sogenannten Thecofilosea-Amöben. Sie ahnen, was jetzt kommt… Woran dachten die Forscher:innen wohl, als sie diese frisch entdeckte Art »Pokemonas« tauften? Pokemonas sind mit Legionellen verwandt, fiesen Bakterien, die eine Lungenentzündung auslösen können: die Legionärskrankheit. Ob Pokemonas allerdings eine ähnlich gefährliche Erkrankung hervorrufen, ist bisher noch unklar. Legionellen können übrigens die Wasserleitungen von Schulen und Kindertagesstätten besiedeln. Auch Klimaanlagen, bei denen Wasser verdunstet wird, können Legionellen verbreiten – eingeschlossen in kleinste Wassertröpfchen. Na, wie heißt so was doch gleich? Nein, nicht schon wieder Pokémon! Aerosole!

Ähnlich wie Viren nutzen diese Bakterien ihren Wirt, um sich zu vermehren. Was die Forschungsgruppe mit der Entdeckung von Pokemonas bewiesen hat: Die Bandbreite der bekannten Wirtsorganismen und der Bakterien, die sie bewohnen, ist erheblich größer als bisher angenommen. Und so werden, ähnlich wie die Erweiterung auf knapp 900 Pokémon im Videospiel, auch im wahren Leben immer neue Lebewesen entdeckt und dem Repertoire hinzugefügt.

Nun, da der Präsenzunterricht auch nach den Sommerferien weitergehen soll, können Eltern sich also schon mal freuen: Die Phase der blank liegenden Nerven im Homeschooling scheint vorbei zu sein. Aber in der Schule warten schon neue Krankheitserreger darauf, unbedarfte Wirte zu befallen. Könnte man sie doch bloß auch mit einem Donnerblitz erledigen.