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Ein Coronaschnelltest mit Potential

Ein Kölner Forschungsteam verfolgt einen ganz eigenen Ansatz in der Entwicklung

Universitäten, Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen forschen derzeit nicht nur an Corona-Impfstoffen, sondern auch an Schnelltests, die das Virus zuverlässig nachweisen. Ein Kölner Forschungsteam verfolgt einen ganz eigenen Ansatz.

Von Anna Euteneuer

März 2020: Die Zahlen der Corona- Fälle nehmen besonders in Europa zu, die Bilder aus Italien schockieren die Welt, und die Angst vor überfüllten Notaufnahmen steigt – in Köln wie in ganz Deutschland. »Wir hatten wirklich große Sorge, dass irgendwann eine Situation eintritt wie damals in einigen Regionen Norditaliens«, sagt Professor Dr. Bernhard Schermer, Leiter des nephrologischen Forschungslabors am Kölner Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD.

Was tun, um dieser Situation vorzubeugen? Die Bundesregierung sowie Landesregierungen trafen schwere Entscheidungen: Maskenpflicht, Quarantäne und schließlich auch Kontaktbeschränkungen – aktuell schon zum zweiten Mal. Erneut sind nicht mehr genügend Kapazitäten vorhanden, um bei allen Menschen, die das wünschen, einen Coronatest zu machen. Viele Testlabore sind wieder überlastet – wie bereits im Frühjahr. Liegen dann die Ergebnisse vor, kommen die Gesundheitsämter erneut kaum mit der Benachrichtigung und Quarantäne von positiv Getesteten hinterher. Bereits während der ersten Corona-Welle startete ein kooperatives Forschungsprojekt der Klinik II für Innere Medizin der Uniklinik Köln, des Instituts für Virologie der Medizinischen Fakultät und des NephroLab am CECAD.

WELCHE TESTS GIBT ES UND WAS WIRD NACHGEWIESEN?

1. PCR-Tests reagieren auf das Erbgut (RNA) von SARS-CoV-2 und geben damit an, ob in einer Probe Virus vorhanden ist. PCR-Tests sind derzeit noch immer der Goldstandard zum Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion.

2. Antigentests weisen nicht das Erbgut, sondern Proteine des Virus nach und gelten als Infektionsnachweis. Sie sehen aus wie Schwangerschaftstests und liefern innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis. Essenziell ist hier jedoch ein gut funktionierender Antikörper, der Virusproteine erkennt.

3. Antikörpertests gibt es ebenfalls in einer Schnelltestvariante. Hier wird jedoch nicht das Virus im Körper nachgewiesen, sondern die Reaktion des Körpers auf das Virus. Ein Blick in die Vergangenheit: War eine Person schon einmal infiziert? Hat der Körper natürliche Abwehrkräfte – Antikörper – gegen das Virus gebildet? Ob eine frische Infektion vorliegt oder die Infektion bereits länger zurückliegt, verrät der Typ der gebildeten Antikörper. Mit einem Antikörpertest wird nachgewiesen, ob eine Person nach einer Infektion noch »immun« gegen das Virus ist. Auch für die Forschung und Therapieentwicklung spielen Antikörpertests eine große Rolle.

Das Ziel: Eine alternative Diagnostik entwickeln, die große Patientenzahlen möglichst schnell, unkompliziert und vor Ort – beispielsweise in der Notaufnahme – testet, sodass direkt eine Einteilung in infektiöse oder nicht infektiöse Patienten möglich ist. Der gängige PCR-Test würde dafür zu lange dauern, da er im Labor ausgewertet werden muss. Seit Ende September steht ein Antigen- Schnelltest für Fachpersonal zur Verfügung. Antigentests hängen jedoch stark von der Spezifität des genutzten Antikörpers ab. Diese Art von Test muss daher bei Mutationen des Virus gegebenenfalls angepasst werden, was zeitintensiv ist. Das Kölner Forschungsteam forscht deshalb an einer bislang kaum beachteten Testmethode.

Die richtige Methode wählen

Dass ein Nephrologe – ein Nierenarzt – das Forschungsteam leitet, erscheint auf den ersten Blick erstaunlich. »Wir haben zwar wenig mit Virologie am Hut, aber wir sind Experten in Techniken der Molekularbiologie«,   sagt Schermer. Außerdem war in seinem Forschungslabor Platz für neue Projekte, während viele Diagnostiklabore ausgelastet sind.

Zunächst nahm Schermer Kontakt zu Feng Zhang auf, einem Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der bereits erfolgreich einen Schnelltest für das Zika-Virus entwickelt hatte. Die Forscherinnen und Forscher erörterten zunächst ein daran angelehntes Testverfahren. Doch angesichts von Lieferengpässen bei Zutaten für die eigentlich favorisierte Methode entschieden sie sich letztlich für die sogenannte Reverse Transcription Loop- Mediated Isothermal Amplification Methode, kurz rtLAMP.

rtLAMP – Bei dieser Testmethode wird zielgerichtet RNA/DNA vervielfältigt. Nach dem Kochen der Probe zum Freisetzen der viralen RNA läuft die Reaktion mit konstanter Temperatur ab (65°C) und das Ergebnis wird als Farbwechsel sichtbar.

Bereits nach ein bis zwei Wochen lagen die ersten positiven Ergebnisse vor. »LAMP wurde zu Unrecht bislang vernachlässigt«, sagt Schermer, der die Methode zuvor selbst wenig genutzt hatte. Ein Grund dafür ist, dass das Endprodukt der LAMP-Reaktion eine wilde Mischung aus DNA-Strukturen ist, die nicht einfach in weiteren Analysen und Experimenten eingesetzt werden kann. Da bei einem Corona-Schnelltest eine weitere Verarbeitung nicht wichtig ist, ist das jedoch kein Nachteil.
 

LAMP hat zudem Vorteile gegenüber der etablierten PCR-Test-Methode: Die Reaktion kann direkt mit dem Probenmaterial durchgeführt werden – es ist kein zeitraubendes Einsenden und Aufarbeiten im Labor notwendig. Sie benötigt nur zwei verschiedene Temperaturen für die Reaktion und kein spezielles Gerät. Nicht zuletzt sind die Zutaten kostengünstig und können einfach hergestellt werden.

»Die Sensitivität unseres LAMP-Tests konnten wir bereits erhöhen, sodass wir momentan Proben mit Ct-Werten von ca. 30 in parallelen diagnostischen qPCRs sicher identifizieren können«, sagt Schermer. Dieser Ct-Wert entspricht in etwa der Schwelle für die Infektiosität.

Ct-Wert – Dieser Wert gibt die Anzahl der Zyklen in der PCR wieder, die nötig waren, um einen bestimmte Menge an Material herzustellen. Je niedriger der Ct-Wert, desto mehr Ausgangsmaterial war in einer Probe enthalten.

Die LAMP-Methode kann also noch nicht mit dem Goldstandard, der qPCR, mithalten. Sie kann aber helfen, infektiöse von nichtinfektiösen Patienten zu unterscheiden. Gemeinsam mit der Virologie vergleicht das Forschungsteam zurzeit die LAMP-Methode mit anderen Schnelltests, immer im Vergleich zur qPCR. »Ohne die Unterstützung durch die Virologie wäre ein solches Projekt undenkbar«, so der Nephrologe.

Auch nach Corona noch anwendbar

Momentan findet die LAMP-Reaktion noch in PCR-Testgefäßen statt. Das Ziel ist jedoch, ein geschlossenes Testsystem zu entwickeln, beispielsweise eine Kartusche, in die man die Probe hineingibt und die nach dem Nachweis einfach entsorgt werden kann. Zudem wird momentan an einer vereinfachten Probenentnahme gearbeitet. Studien aus Wien, die Gurgelwasser als Probe nutzen, oder der Ansatz der sogenannten »Morgenspucke « sind sehr vielversprechend. In jedem Fall sind sie für die Testperson angenehmer als die im Moment noch nötigen Rachenabstriche.

»Wir hätten dieses Programm nie gestartet, ohne Professor Dr. Florian Klein, den Leiter der Virologie hier in Köln, an Bord zu haben. Er war von Anfang an mit eingebunden «, sagt Schermer. Als sein Team die ersten Tests fertig hatte, fragten sie Klein in einer Telefonkonferenz, ob sie weiter machen sollten. »Er war begeistert, weil auch er wie wir den Wert sieht, alternative Methoden in die Diagnostik einzubinden – auch über Corona hinaus.« Klein fügt hinzu: »In Deutschland verfügen wir über ausreichende Kapazitäten für die etablierte Diagnostik. Die aktuellen Diskussionen über regelmäßige Tests in unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens zeigen jedoch, dass in Zukunft auch schnellen alternativen Testverfahren eine große Bedeutung zukommen kann.«

Selbst wenn das Verfahren zunächst nur für SARS-CoV-2 eingesetzt wird, könnte die Methode künftig auch bei anderen Infektionen für vereinfachte und schnelle Diagnostik sorgen. Ein großer Vorteil der LAMP-Methode ist, dass sie genau wie die PCR schnell etabliert werden kann. Es benötigt lediglich zielgerichtete Primer, die den Startschuss für die Vervielfältigung der gewünschten DNA oder RNA geben. Somit kann sie auch über die Entwicklung des Corona-Schnelltests hinaus für die Forschung und Diagnostik von Nutzen sein.

Primer – Primer bestehen aus 15 bis 50 Nukleotiden, den Bausteinen, aus denen die DNA besteht. Sie binden an ein spezifisches Stück DNA oder RNA, um dort, etwa bei einem PCR-Test, eine Vervielfältigung dieser Sequenz einzuleiten.

Als nephrologischer Forschungsleiter sieht Schermer beispielsweise die Möglichkeit, die Erreger vieler weiterer, auch bakterieller Infektionen in Arztpraxen oder Krankenhäusern schneller zu bestimmen, und so zielgerichtete Therapien früher starten zu können. Aber auch für mögliche zukünftige Pandemien sieht Schermer ein Anwendungspotenzial: »Eine LAMP-Reaktion auf ein anderes Virus umzustricken ist verhältnismäßig einfach, da lediglich die Primer modifiziert und getestet werden müssen. Das wird in der Regel schneller sein als Antigentests zu entwickeln. Antigentests sind zwar in der Durchführung schneller als LAMP oder qPCR, setzen aber voraus, dass ein sehr guter Antikörper vorhanden ist.«

Es bleibt abzuwarten, welche Methode künftig für flächendeckende Corona-Schnelltests eingesetzt wird. Die vorläufigen Daten der LAMP-Methode sowie ihre einfache Handhabung sind erfolgsversprechend. »Für eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis ist Unterstützung seitens der Industrie jetzt immens wichtig. Das allerwichtigste Ziel ist im Moment jedoch, dass ein sensitiver Schnelltest entwickelt wird – ganz egal, auf welcher Methode er basiert«, sagt Schermer. Die Forschung am Kölner Campus läuft jedenfalls auf Hochtouren und unterstützt somit den Wunsch der Menschen nach einer Rückkehr zur »Normalität«.   

 

CORONA-FORSCHUNG AM MEDIZINCAMPUS KÖLN Das kollaborative Forschungsvorhaben zur Entwicklung eines Schnelltests zum Nachweis von SARS-CoV-2 wird mit 400,000 Euro vom Bund unterstützt. Zudem wird die Uniklinik Köln sowie die Medizinische Fakultät vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Projekts »Nationales Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19« (kurz »Netzwerk Universitätsmedizin «) gefördert.