skip to content

Zwischen Naturstein und Rohbeton

Ein Rundgang über den Campus der Uni Köln

Pompöse Parkanlagen, altehrwürdige Gemäuer und Stuck an den Decken: In Bonn und Münster wird im Schloss studiert. An der Uni Oxford wurden sogar Teile der Harry-Potter- Filme gedreht. Bei Kölner Studierenden kommt da schon mal Neid auf. Vielleicht nicht immer zu Recht. In einem architektonischen Rundgang erklärt der Kunsthistoriker Professor Norbert Nußbaum, warum unser Campus heute so aussieht wie er aussieht.

Wir alle können uns vermutlich daran erinnern, als wir zum ersten Mal die Gebäude um den Albertus-Magnus-Platz erblickt haben. Was auch immer wir damals dachten, viele Details sind uns bestimmt nicht direkt aufgefallen. Details, für die man sich nicht nur Zeit nehmen muss, um sie zu entdecken, sondern für die man auch den Kontext verstehen muss, in dem der Campus am Grüngürtel entstanden ist. Los geht es mitten auf dem Albertus-Magnus-Platz, vier Meter über der Universitätsstraße. „Der Campus um uns herum ist das Produkt einer sich nach und nach ausdehnenden Bebauung, die ihren Anfang zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte“, sagt Nußbaum. In seiner Hand hält er Die Bauten der Universität zu Köln, einen Bildband, der zur 600-Jahrfeier herausgegeben wurde. 600 Jahre nachdem Kölner Bürger zum ersten Mal eine Universität in ihrer Stadt gründeten. Einen zentralen Campus gab es im Mittelalter nicht. Vorlesungen wurden in verschiedenen Häusern der Altstadt gehalten, so wie es in den meisten Universitäten Europas lange Zeit üblich war.

Wo Studierende heute ihre Fahrräder auf dem Albertus-Magnus-Platz abstellen, erstreckte sich damals eine weitläufige Wiese

„Die Campusuniversität ist im Prinzip eine Erfindung, die auf die angloamerikanische College-Tradition zurückgeht“, sagt Nußbaum. Der Campus, was übersetzt Feld bedeutet, entstand dort oft von Parkanlagen umgeben außerhalb der Stadt. In Deutschland war das eine relativ späte Entwicklung, die mit der wachsenden Zahl an Studierenden einherging. Eine Universität für tausende Studierende in die Stadt einzugliedern, war eine Herausforderung, denn: „Wo wir jetzt stehen, gab es bereits bauli che Konkurrenz am Ort“, betont Nußbaum und blickt in Richtung Lindenthal. „Deshalb war hier ein erhebliches architektonisches Feingefühl nötig.“ Ein Feingefühl, wie es Konrad Adenauer, damals Kölner Oberbürgermeister, besaß. Den Neubau der Universität integrierte er in seine Idee von einem Grüngürtel. Zumindest von der Rückseite ist immer noch kaum zu übersehen, dass sich das Gebäude im Grünen befindet.
 
 Fairerweise muss man sich aber den Bau von damals vorstellen: Als das neue Universitätsgebäude eingeweiht wurde, gab es dort so gut wie keinen Verkehr. Wo Studierende heute ihre Fahrräder auf dem Albertus- Magnus-Platz abstellen, erstreckte sich damals eine weiträumige Wiese. So gesehen kam die Aufenthaltsqualität vor der Kölner Universität einst fast schon an den Hofgarten der Uni Bonn ran. „Das Hauptgebäude ist ein Bau aus der Vorkriegszeit, der sich nicht traut, so modern zu sein, wie es etwa in Form der Bauhausarchitektur zu jener Zeit durchaus möglich gewesen wäre“, erklärt Nußbaum. Trotzdem grenzt es sich mit einigen Features von der klassizistischen Architektur ab. So gibt es etwa einen ebenerdigen und damit für die damalige Zeit sehr modernen Eingang. „Der Bau ist kein gesockeltes Monument, zu dem man in Ehrfurcht aufschauen soll“, sagt Nußbaum. Mit anderen Worten: Das Hauptgebäude bleibt auf Augenhöhe. Denn nur so kann es sich trotz seiner enormen Größe fast schon unauffällig in die Parklandschaft integrieren.
 
 Durch das verwendete Material zeigt das Gebäude, wo es steht: Für den Bau hat man vor allem Naturstein aus der Eifel verwendet. Über dem Eingang erstreckt sich die gläserne Vorhalle. Damals als Laufbrücke vor allem für die Chefetage gedacht, heute würde man vermutlich Skylobby dazu sagen. „Es ging dabei auch ein bisschen ums Sehen und Gesehen werden“, sagt Nußbaum. „Allerdings ein Stück zurückgelegen und somit auch zurückhaltender.“ Das Gebäude ist von vorne nach hinten sauber in Schichten getrennt: Erst kommen Verwaltung und Unibibliothek, in der Mitte dann die Aula und zur Rückseite hinaus schließlich die Institute. In der Urkunde zur Grundsteinlegung von 1929 heißt es: „Wenn der Geist will, so wächst der Stein.“ Und der Geist wollte.

"Die Zeitgenossen sollten die Architektur als Katharsis-Element verstehen, das den Geist klärt, vor allem Überflüssigen wegführt und auf das Wesentliche reduziert"

Spätestens in den 1950er Jahren war klar, dass der Platz im Hauptgebäude auf Dauer nicht ausreichen wird. Zunächst wurden die Bibliothek und ein Teil der Fakultäten ausgelagert, später auch Hörsäle. Über die mittlerweile tiefergelegte und gedeckelte Universitätsstraße gelangt man zum Hörsaalgebäude. Es ist ein Monument des Brutalismus – des vielleicht unbeliebtesten Stils der Nachkriegszeit. Betonklotzarchitektur zählt noch zu den harmloseren Umschreibungen. Obwohl das Gebäude in seiner Ästhetik brutal erscheinen mag, ist mit dem Stil jedoch zunächst einmal das Baumaterial genannt: béton brut – roher Beton. Und Beton ist nicht gleich Beton. Der hier verwendete Sichtbeton wurde nicht verputzt, sondern hinterließ gestalterische Ornamente in der Fassade. Diese Architektur ist in mancher Hinsicht genau das Gegenteil vom Hauptgebäude. Es bleibt unklar, wo drinnen und wo draußen ist. Die Hörsäle sind freigestellt und ragen an allen Enden hervor. Der Raum dazwischen ist vielleicht gar kein richtiges Gebäude, sondern eher ein überdachter Platz. Das will zumindest die Bodengestaltung des Vorplatzes ausdrücken. Wer genau hinschaut sieht, dass sich das Mosaik bis in das Hörsaalgebäude hineinstreckt.

Kommt man vom Albertus-Magnus-Platz, fällt auch die Brücke auf, die von innen nach außen und von außen nach innen führt. Nußbaum: „Hier liegt ein ganz neues Verständnis der Universität vor, das sich in der Architektur widerspiegelt. Die Universität soll nach außen Transparenz schaffen.“ An der Südseite des Hörsaalgebäudes in Richtung Bibliothek fallen auf der linken Seite einige etwas unscheinbare Sitzgruppen aus Beton auf – eine davon direkt unter der Außentreppe. Unweigerlich stellt sich die Frage, wer dort freiwillig sitzen will. „Niemand“, antwortet Nußbaum. „Niemand will auf Beton sitzen. Grober Beton saugt Nässe, er ist schmutzig und meistens auch kalt.“ Brutalistische Architektur will rau und hart sein. Und sie trägt diese Härte selbstbewusst vor. „Die Zeitgenossen sollten die Architektur als Katharsis-Element verstehen, das den Geist klärt, von allem Überflüssigen wegführt und auf das Wesentliche reduziert“, erklärt er. An dieser Stelle unterlagen die Brutalisten allerdings einem Irrtum, denn die Leute machten das nicht mit. Vielmehr fragten sie sich damals wie heute, wo sie zwischen zwei Vorlesungen am gemütlichsten einen Kaffee trinken können. Das Gebäude hat keine Antworten auf diese Frage.

Durch die Materialien wird das Seminargebäude sehr viel freundlicher, als der brutalistische Bau gegenüber

In den letzten Jahren hat das Hörsaalgebäude neue Nachbarn bekommen. Mit dem Seminargebäude spiegelt der Architekt Paul Böhm die vorstehenden Hörsäle auf der Westseite wider, schließt damit eine Klammer und schafft gleichzeitig ein neues Forum zwischen Albertus-Magnus-Platz und Bibliothek. Es ist ein Platz, der seinen Praxistest bereits bestanden hat. Er lebt. Studierende halten sich hier in ihren Pausen gerne auf. Der Platz ist leicht nach unten abgesenkt, wodurch die Aufenthaltsfläche vor dem Seminargebäude etwas erhöht ist. Nicht nur laden die überdachten Stufen zum Sitzen ein. Auch die Tische und Bänke auf dem Vorplatz eigenen sich, um das Treiben auf dem Forum aus einer leicht erhöhten Position zu beobachten.

Das Seminargebäude selbst ist eine Nummer schlanker und niedriger als das Hörsaalgebäude, auf das es sich bezieht. Somit ist es eine Architektur der Verneigung und Ergänzung und keine nachbarschaftliche Konkurrenz. Neben der Glasfassade fällt der deutlich hellere Stein auf, der fast schon an die Bauten mediterraner Länder erinnert – eine wirkungsvolle Geste, denn durch die Materialien wird das Seminargebäude sehr viel freundlicher, als der brutalistische Bau gegenüber. „Der Beton wirkt wie von einem Steinmetz bearbeitet und sieht wie Naturstein aus“, zeigt Nußbaum.

Über den Albertus-Magnus-Platz geht es zurück zur letzten Station: das Studierenden Service Center. Auf dem ersten Blick mag es fast schon wie eine Rebellion gegenüber dem Hauptgebäude wirken. Aber auch das SSC bleibt niedriger als das Gebäude, auf das es sich bezieht. Die neongrünen Fensterrahmen im Neubau zeigen mit ihrer Farbe womöglich ihre Nähe zum Grüngürtel. „Im Gegensatz zum Hauptgebäude sind die Fenster hier geschossweise verschoben und differenziert zu Gruppen zusammengefasst“, sagt Nußbaum. „Die Referenz wird also aufgegriffen, dabei aber neu interpretiert.“ Auch mit seinen vorspringenden Würfeln löst das SSC die Strenge des Hauptgebäudes auf, zugleich erinnert es an die Architektur des Hörsaalgebäudes. Die Würfel bilden ein Tor, durch das man in den Grüngürtel kommt. Die Rückseite des Gebäudes zeigt: Hier hat die Architektur noch mehr Freiheiten. Die Fassade des Hauptgebäudes muss nicht mehr aufgegriffen werden, die Konstruktion kann aufgebrochen werden.

Auf der Wiese endet der Rundgang mit der großen Frage: Hat der gesamte Campus einen Denkmalwert? Nußbaum: „Je mehr man versteht, wie der Campus gewachsen ist, desto mehr kommt man zum Schluss, dass die Idee erhaltenswert ist. Die Architektur trägt nach außen, wie volle Geste, denn durch die Materialien wird das Seminargebäude sehr viel freundlicher, als der brutalistische Bau gegenüber. „Der Beton wirkt wie von einem Steinmetz bearbeitet und sieht wie Naturstein aus“, zeigt Nußbaum.

Über den Albertus-Magnus-Platz geht es zurück zur letzten Station: das Studierenden Service Center. Auf dem ersten Blick mag es fast schon wie eine Rebellion gegenüber dem Hauptgebäude wirken. Aber auch das SSC bleibt niedriger als das Gebäude, auf das es sich bezieht. Die neongrünen Fensterrahmen im Neubau zeigen mit ihrer Farbe womöglich ihre Nähe zum Grüngürtel. „Im Gegensatz zum Hauptgebäude sind die Fenster hier geschossweise verschoben und differenziert zu Gruppen zusammengefasst“, sagt Nußbaum. „Die Referenz wird also aufgegriffen, dabei aber neu interpretiert.“ Auch mit seinen vorspringenden Würfeln löst das SSC die Strenge des Hauptgebäudes auf, zugleich erinnert es an die Architektur des Hörsaalgebäudes. Die Würfel bilden ein Tor, durch das man in den Grüngürtel kommt.

Die Rückseite des Gebäudes zeigt: Hier hat die Architektur noch mehr Freiheiten. Die Fassade des Hauptgebäudes muss nicht mehr aufgegriffen werden, die Konstruktion kann aufgebrochen werden. Auf der Wiese endet der Rundgang mit der großen Frage: Hat der gesamte Campus einen Denkmalwert? Nußbaum: „Je mehr man versteht, wie der Campus gewachsen ist, desto mehr kommt man zum Schluss, dass die Idee erhaltenswert ist. Die Architektur trägt nach außen, wie sich der Grundgedanke einer Universität immer wieder verändert.“sich der Grundgedanke einer Universität immer wieder verändert.“