skip to content

Remixen im Unterricht

Offene digitale Lehrmaterialien ermöglichen alternative Formen von Unterricht und Lehre

Teilnehmer an einem langen Tisch

Viele kennen es noch aus ihrem Schulunterricht: Lehrerinnen und Lehrer greifen zur Schere und collagieren ihr Unterrichtsmaterial aus verschiedenen Quellen und Materialien. Unterrichtsmaterialien zu erstellen, geht heute dank Digitaltechnik einfacher und schneller, vor allem wenn es sich um offene Lehrmaterialien handelt. Dabei gibt es jedoch einige Hindernisse und Fallstricke zu bedenken – insbesondere rechtlicher Art. Die Juniorprofessorin für Mediendidaktik und Medienpädagogik Dr. Sandra Hofhues forscht über die Verwendung von Open Educational Ressources (OER) in Schule und Hochschule.

Offen, frei und Remix sind Begriffe, die häufig fallen, wenn Sandra Hofhues über ihr Forschungsgebiet und das konkrete Forschungsprojekt spricht. „Bei OER handelt es sich um Unterrichtsmaterialien, die in der Regel in digitaler Form vorliegen und dabei offen zugänglich sind. Entscheidend ist der freie Zugang zu diesen Materialien, geregelt durch offene Lizenzen von Creative Commons (CC)“, erläutert Hofhues. Mit solchen Creative Commons-Lizenzen können beispielsweise Kursmaterialien, Aufgabensammlungen, Videos oder Simulationsprogramme versehen sein, die im Schulunterricht, in der Hochschullehre oder in der Weiterbildung genutzt werden.
 

Creative Commons (CC)
Mit offenen Lizenzen von Creative Commons (CC) räumt der Urheber den Nutzerinnen und Nutzern bestimmte Rechte an seinem Werk ein, zum Beispiel das Recht, ein Werk zu kopieren, zu verändern oder zu verbreiten. Das Lizenzmodell von CC umfasst sechs „freie Lizenzen“, die es der Nutzerin oder dem Nutzer gestatten, ein Werk unter festgelegten Bedingungen in einer bestimmten Art zu verwenden.

 

Indem die Lernenden in die Entwicklung von OER einbezogen werden, können unterschiedliche und zum Teil auch neue Unterrichtskonzepte umgesetzt werden. Offene Lehrmaterialien sind zudem unter Kostengesichtspunkten eine Alternative, da sie gemeinfrei von vielen Lehrenden für ihren Unterricht eingesetzt und gegebenenfalls individuell angepasst werden können.
 

Mehrwert gegenüber Verlagsangeboten

Es geht jedoch bei OER nicht nur um den reinen Zugriff auf die Bildungsmaterialien. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen zudem das Recht haben, die Materialien für ihre jeweiligen Zwecke zu verändern und weiter zu verbreiten. Offene Bildungsressourcen bieten in dieser Hinsicht einen deutlichen Mehrwert gegenüber geschlossenen Unterrichtsmaterialien, etwa von Verlagen. Einschränkungen, die bei Verlagsangeboten aus urheberrechtlichen Gründen gelten, bestehen in dieser Form bei der Verwendung von offenen Bildungsressourcen nicht. Hinzu kommt, dass sich Verlagsangebote am Markt amortisieren müssen und dadurch einige Zeit unverändert eingesetzt werden. In digitaler Form vorliegende offene Lehrmaterialien können demgegenüber ständig aktualisiert werden. Das Produzieren von offenen Bildungsressourcen ist zwar auch mit Kosten verbunden, dennoch werden OER für die Lehrenden und Lernenden in der Regel kostenfrei angeboten und entstehende Kosten anders getilgt oder verteilt. So besteht zum Beispiel die Forderung, dass jegliches Material, das in Schulen und Hochschulen entsteht, frei weitergegeben werden kann beziehungsweise soll.
 

Remixen – Unterrichtsmaterialien individuell gestalten

Durch offene Lehr-Lernmaterialien soll sich, ähnlich wie im Musikbereich, eine „Remix-Culture“ entwickeln. In der Pop-Musik ist es sehr verbreitet, kurze Passagen und Klänge aus vorhandenen Musikstücken zu entnehmen, diese Teile zu verändern und für die eigene Musikproduktion neu zu arrangieren. Dementsprechend sollen Lehrende und Lernende gemeinsam geeignete offene Lehrmaterialien recherchieren, diese Materialien für den Unterricht anpassen und aus verschiedenen Unterrichtsmaterialien neue offene Lehrangebote erstellen. Ein Vorteil von OER ist, dass diese offenen Materialien in vielen verschiedenen Lehrveranstaltungen eingesetzt werden können. „So können beispielsweise Vorbereitungskurse in der Mathematik von anderen Dozenten genutzt und gegebenenfalls angepasst werden. Ein anderes Beispiel wären Übungsaufgaben und deren Lösungsskizzen, die als offenes Bildungsmaterial zur Verfügung gestellt und so für die Bedürfnisse des eigenen Unterrichts überarbeitet werden könnten“, erläutert Hofhues. Ob offene Bildungsressourcen im schulischen Unterricht oder in der Hochschullehre sinnvoll eingesetzt werden können, bleibt allerdings die zentrale didaktische Entscheidung. Denn Unterrichtsmaterialien machen nur Sinn, wenn eine Lehrkraft diese im Kontext eines bestimmten didaktischen Szenarios einsetzt oder bearbeitet. Gestalten und Remixen von OER sind entsprechend Methoden, um angestrebte Lernziele über Medieneinsatz in Schule und Unterricht hinaus zu erreichen.

Hofhues will Lernende dabei mit sogenannten „OERlabs“ unterstützen. „Die OERlabs verstehen wir nicht als physische Laborräume, sondern eher als symbolische Räume, die sich jede oder jeder aneignen kann. So entstehen im Bereich von Medien und Bildung unter anderem Netzwerke für den sozialen Austausch über OER und Medien ganz allgemein“, erklärt die Bildungswissenschaftlerin. „Es gibt in der Uni Köln bereits viele Einrichtungen und Gremien mit Bezug zu digitalen Medien, die wir für die Entwicklung von offenen Bildungsressourcen motivieren und vernetzen möchten", erläutert Hofhues und denkt dabei unter anderem an das Netzwerk Medien in der Humanwissenschaftlichen Fakultät und die Universitäts- und Stadtbibliothek.
 

Das BMBF-geförderte Praxis- und Entwicklungsprojekt „OERlabs“ (Kooperation der Universität zu Köln mit der TU Kaiserslautern):
<link https://oerlabs.de/ - external-link-new-window "Opens internal link in current window">https://oerlabs.de/</link>
Film:
Der Mehrwert von OER für den Schul- und Bildungsbetrieb
<link https://youtu.be/mlIi3uTmRdE - external-link-new-window "Opens internal link in current window">https://youtu.be/mlIi3uTmRdE</link>
 

 

Hofhues und ihr Team möchten die bestehenden Angebote so verbinden, dass Lehrende und Lernende künftig auf dieses Netzwerk zugreifen können, um OER zu entwickeln. Die auf diese Weise entstehenden OERlabs zielen vor allem auf die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. In den OERlabs erstellen Lehramtsstudierende und Studierende des Studiengangs Intermedia unter anderem gemeinsam offene Lehrangebote oder remixen diese, damit sie im Schulunterricht eingesetzt werden können.

Medienkompetenzen bei Lehrenden und Lernenden
Gemeinsam digitale, offene Lehrmaterialien zu erstellen und zu remixen, erfordert von Lehrenden und Lernenden Kenntnisse und Fähigkeiten in der Gestaltung digitaler Medienprodukte. Außerdem ist es wichtig, fremde Informationen, die für das Produzieren von OER genutzt werden sollen, hinsichtlich ihrer Qualität bewerten zu können. Geeignete Verfahren der Qualitätskontrolle müssen für offene Bildungsressourcen allerdings noch entwickelt und etabliert werden. Gute Kenntnisse im Urheberrecht und verwandter Rechtsgebiete sowie der verschiedenen Arten von Creative Commons-Lizenzen sind notwendig, wenn fremde Inhalte verändert und als OER weiterverbreitet werden sollen. Ein Problem ist es, fremde offene Inhalte, die für die Gestaltung eigener Lehrmaterialien genutzt werden sollen, überhaupt im Internet zu finden. „Es gibt noch keine Suchmaschine oder ähnliches, wo man ganz gezielt nur nach offenen Bildungsressourcen recherchieren kann. Es ist nach wie vor sehr schwierig, die Lizenzbedingungen von einzelnen Materialien herauszufinden, weil viele Informationen im Netz nicht mit entsprechenden Lizenzen und Metadaten versehen sind“, sagt Hofhues. In Zukunft könnten OER in den Datenbanken der Hochschulbibliotheken gelistet und dabei mit Lizenzangaben versehen werden.
Das gemeinsame Erstellen von offenen Lehrmaterialien bedingt bei allen am Prozess Beteiligten eine „Kultur des Teilens“. Es sollte die Bereitschaft bestehen, fremde Inhalte beim Produzieren eigener OER anzunehmen und eigenes Wissen ohne unmittelbare Gegenleistung weiterzugeben. „Dafür ist es sehr hilfreich, dass es derzeit viele Förderlinien gibt, die dazu auffordern, Forschungsergebnisse im Sinne von Open Access frei zur Verfügung zu stellen. Der Weg, um von Open Access ausgehend auch die Lehrmaterialien frei zur Verfügung zu stellen, ist dann nicht mehr so weit, weil sich das Verständnis bezüglich Lehrmaterialien verändert.“

 

Diggi17 – Enter Next Level Learning
Die Tagung „Diggi17 – Enter Next Level Learning“ fand im Rahmen des ZfL-Themenjahres 2017 „Digitalisierung meets LehrerInnenbildung“ vom 27. – 29. September 2017 an der Universität zu Köln statt. Die vom Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) organisierte Tagung bot für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, über Entwicklungen der Digitalisierung im Kontext von Lehren und Lernen zu diskutieren.
Weitere Informationen zur Tagung Diggi17: <link https://diggi17.uni-koeln.de/ - external-link-new-window "Opens internal link in current window">https://diggi17.uni-koeln.de/</link>
ZfL-Themenjahr „Digitalisierung meets LehrerInnenbildung“: <link http://zfl.uni-koeln.de/digitalisierung.html - external-link-new-window "Opens internal link in current window">http://zfl.uni-koeln.de/digitalisierung.html</link>