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»Mit Willen und Leidenschaft«

Interview mit Alumna Dr. Felor Badenberg, Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin

Alumna Dr. Felor Badenberg ist Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin. Zuvor hatte sie Karriere im Verfassungsschutz gemacht. Die Alumna der Rechtswissenschaftlichen Fakultät sieht im Gesetz den grundlegenden Rahmen.

Das Gespräch führte Robert Hahn


Frau Dr. Badenberg, welche Erinnerungen haben Sie an die Universität und Ihr Studium?

Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Zeit und habe auch noch viele Freundinnen und Freunde, mit denen ich zusammen studiert habe. Mit ihnen treffe ich mich auch in regelmäßigen Abständen.


Sie sind Kind von Einwanderern aus dem Iran. Glauben Sie, dass das Studium für Sie schwieriger als für Ihre Kommiliton*innen ohne Einwanderungshintergrund war?

Ich bin im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland gekommen und konnte kein Wort Deutsch sprechen. Meine Familie und ich waren hier in Köln und mussten zuerst einmal die deutsche Sprache erlernen. Ich hatte einen besonders engagierten Lehrer, der mir und meinem Bruder Deutsch beigebracht hat. Wenn ich wieder an der Sprache verzweifelt bin, hat er mir immer gesagt: »Du schaffst das. Du wirst deinen Weg gehen.« Diesem Menschen bin ich immer noch dankbar. Er ist heute knapp 90 Jahre alt und ich habe zu ihm immer noch Kontakt.

Im Studium war es für mich dennoch etwas schwieriger als für junge Menschen ohne Einwanderungsgeschichte, weil mir einige Dinge etwas fremd waren. Mein Doktorvater Professor Schmitt-Kammler ist leider vor kurzem gestorben. Von ihm habe ich während des Studiums viel Zuspruch erhalten und ich konnte mich immer an ihn wenden. Ihm verdanke ich viel.


Was braucht man, um solche Nachteile zu kompensieren?

Einen starken Willen und Leidenschaft.


Wie sind sie auf die Idee gekommen, Jura zu studieren?

Eigentlich wollte ich Medizin studieren. Mein Vater stammt aus einer Medizinerfamilie und hatte immer die Vorstellung, dass seine Tochter auch mal einen Doktortitel besitzt und Ärztin wird. Ich habe dann nach der Schule ein freiwilliges Soziales Jahr in der Uniklinik Köln begonnen, aber es hat sich herausgestellt, dass Medizin für mich nicht das Richtige ist. Ich war immer die erste, die umgekippt ist, wenn sich jemand verletzt hat – keine gute Eigenschaft für eine Ärztin. Insofern war ich dann ehrlich zu meinem Vater und habe ihm gesagt: Das mit der Ärztin wird nichts, aber das mit dem Doktortitel, das verspreche ich dir. I

Ich habe mich dann für Jura entschieden. Da ich aus einem Land komme, in dem Menschenrechte und Freiheitsrechte nicht die oberste Priorität haben, wollte ich etwas lernen, womit man sich für andere einsetzen kann. Dafür erlernt man mit dem Jurastudium das richtige Handwerkszeug. Schließlich habe ich dann auch promoviert und damit meinem Vater gegenüber mein Versprechen eingelöst.


Wie sind Sie dann zum Verfassungsschutz gekommen?

Nach meinem Referendariat stand für mich fest, dass ich Richterin werden möchte. Ich wollte für Gerechtigkeit sorgen. Ich habe mich dann erkundigt, wie so ein Auswahlverfahren für Richter abläuft. Hier in Nordrhein-Westfalen war es damals ein zweitägiges Assessmentcenter. Zwischenzeitlich bin ich auf eine Anzeige des Bundesinnenministeriums gestoßen, die ebenfalls mit einem Assessmentcenter verbunden war. Eine perfekte Übung, dachte ich mir und habe mich beworben, teilgenommen und die Zusage für eine Stelle als Juristin im Verfassungsschutz bekommen. Unter anderem habe ich dort die Abteilung Cyberabwehr mit aufgebaut, die für Aufklärung von Aktivitäten im Internet zuständig ist, die wahrscheinlich von fremden Staaten gesteuert werden.


Jetzt sind Sie Justizsenatorin in Berlin.

Ja, man hat mich Kai Wegner, dem Regierenden Bürgermeister, empfohlen. Es war nicht ganz leicht, aus Köln zu gehen. Ich bin Kölnerin durch und durch. Aber nun bin ich gut in Berlin angekommen.


Sie haben sich in Berlin schnell den Ruf als Law-and-Order-Frau erarbeitet, wenn man der Presse glauben darf. Was halten Sie davon?

Etwas schmunzeln muss ich, wenn ich das über mich in den Zeitungen lese. Grundsätzlich ist es für mich in Ordnung – es ist halt die Frage, was man darunter versteht. Ich schätze unser demokratisches Rechtssystem hier in Deutschland sehr. Als Justizsenatorin versuche ich, alles im Rahmen des Rechtsstaates Mögliche zu tun, diesen zu verteidigen und zu schützen. Menschen müssen wieder mehr Vertrauen in den Rechtsstaat zurückbekommen.


Viele Menschen empfinden unsere Zeit als krisenhaft. Die internationale Situation beeinflusst auch die deutsche Gesellschaft. Wie schätzen Sie die Auswirkungen ein?

Mir bereitet es große Sorge, dass eine Partei in Deutschland immer mehr Zuspruch erhält, obwohl bei Teilen der Partei der Verdacht besteht, dass sie rechtsextremistische Ideologien vertreten. Trotzdem haben wir auf Bundesebene einen erschreckenden Prozentsatz von Menschen, die dieser Partei ihre Stimme geben oder geben würden: Waren es bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren noch zehn Prozent, sind es jetzt rund 18 Prozent in den Umfragewerten. Wir haben in den letzten zwei Jahren also acht Prozent Menschen verloren, die den etablierten demokratischen Parteien keinen Glauben mehr schenken. Wir sollten uns inhaltlich damit auseinandersetzen und fragen: Warum ist das so? Was können wir tun, um diese Menschen wieder zu uns zurückzuholen? Das wäre aus meiner Sicht der richtige Weg.


Was kann speziell die Justiz tun, um diesen Problemen zu begegnen?

Im Austausch mit den Menschen in Berlin bei den verschiedensten Terminen konnte ich raushören, dass bei ihnen ein Gefühl der Unsicherheit entstanden ist. Eine wichtige Aufgabe von mir – wenn nicht sogar die wichtigste – sehe ich darin, das Vertrauen der Menschen in den Staat wiederherzustellen.


Sie haben jetzt im kommenden Semester einen Lehrauftrag an der Uni Köln angenommen. Wie kam es dazu?

Herr Professor Ogorek von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hat mich gefragt. Ich fühle mich sehr geehrt; ich habe schließlich an dieser Universität studiert. Der Albertus-Magnus-Platz und die Zülpicher Straße nebenan sind ein Teil meiner Jugend – hier habe ich eine wahnsinnig schöne Zeit verbracht. Da habe ich nicht lange nachgedacht und sofort ja gesagt. Und vielleicht kann ich es den Studierenden ja durch meinen Werdegang vermitteln: Man muss es nicht immer ganz einfach haben im Leben, um schließlich das zu machen, was man für wichtig hält.

 

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