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Eine Ledertasche für die Vorlesung

Prof. Ines Neundorf, Biochemie, über eine besondere Ledertasche.

Lederne Aktentasche

Während meines Chemiestudiums in Leipzig habe ich mir eine Ledertasche gekauft. Sie war für meine damaligen Verhältnisse sehr teuer und ich hatte einige Zeit darauf gespart. Ein Teil des Geldes kam dabei von meinem Großvater. Er war Allgemeinmediziner, hatte aber immer auch eine große Leidenschaft für die Naturwissenschaften. Daher – und weil ich von seinen Enkeln die Einzige war, die sich für ein naturwissenschaftliches Studium entschieden hatte – hat er mein Chemiestudium begeistert mitverfolgt und begleitet.

Tatsächlich hatten wir über eine lange Zeit, bis in die Promotion hinein, einen ausführlichen Briefkontakt. Er schrieb dabei immer äußerst detaillierte Briefe, die mehrere Seiten lang und dicht mit der Schreibmaschine beschrieben waren. Fehler wurden von ihm handschriftlich korrigiert. Ich erinnere mich, dass ich oft erstmal keine Lust hatte, sie zu lesen, da es so viel Text war. Jetzt schätze ich diese Briefe natürlich umso mehr, in denen er zum Beispiel biochemische Experimente beschrieb, die er während seines Medizinstudiums durchführen musste.

Um aber auf die Tasche zurück zu kommen: Zu jedem Brief gab es meistens ein »Geldle«, und zwar 20 D-Mark. Zum Geburtstag auch mal 50 D-Mark. Für eine Studentin war das damals viel Geld! Zusammen mit dem, was ich über diverse Nebenjobs verdient hatte, habe ich mir dann die Ledertasche gekauft, in einem kleinen Taschenladen in der Leipziger Altstadt. Heute gibt es diesen Laden leider nicht mehr. Ich habe die Tasche sehr gerne und viel während des Studiums genutzt. In meiner Zeit als Postdoc dann eher weniger, da lag sie mehr im Schrank. Auch weil ich nach dem Studium Kinder bekam und die Ledertasche einem Rucksack weichen musste, damit die Hände für die Kinder frei sein konnten.

Als ich 2011 den Ruf nach Köln bekommen habe, fand ich die Vorstellung toll, mit dieser Ledertasche zu meiner Vorlesung zu gehen. Lässig die Tasche in der einen Hand und in der anderen Hand vielleicht einen Teebecher (ich trinke nämlich keinen Kaffee). Das mache ich mittlerweile tatsächlich gerne so und freue mich immer, wenn ich mit dieser Tasche zu meinen Studierenden in den Hörsaal aufbreche. Oft denke ich dann auch an meinen Großvater, dieses Bild würde ihn nämlich sehr freuen. Und ich weiß, er zwinkert mir von irgendwo her zu.