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Wenn Wasser knapp ist

Der Sonderforschungsbereich 1211 untersucht wie Landschaften, Tiere und Pflanzen sich unter extremer Trockenheit entwickeln.

Wasser ist das definierende Element unseres Planeten. Es hinterlässt Spuren in der Landschaft, gestaltet so wesentlich das Erscheinungsbild der Erde und macht die Entwicklung von Pflanzen, Tieren und Menschen erst möglich. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen beiden Prozessen, der Landschaftsevolution sowie der Entwicklung des Lebens, untersucht der Sonderforschungsbereich 1211 »Earth – Evolution at the Dry Limit« an der Universität zu Köln. Geomorphologische Prozesse, also Veränderungen der Erdoberfläche, werden entscheidend durch die Verfügbarkeit und Abwesenheit von Wasser beeinflusst. Der Fokus der Forscherinnen und Forscher liegt hierbei auf extrem trockenen, sogenannten ariden und hyperariden Gebieten. Das klingt zunächst paradox, wo doch gerade das Wasser der essentielle Evolutionsbaustein ist. Allerdings tritt in diesen extrem trockenen Gebieten der Einfluss des Wassers besonders deutlich zu Tage. Ist es in einer ariden Region etwa nur kurzzeitig verfügbar, sind geomorphologische Veränderungen besonders ausgeprägt. Für die geowissenschaftliche Forschung können diese Gebiete somit spannende Archive über die Landschaftsentwicklung unter extrem trockenen Bedingungen darstellen. 

Auch für die Evolution des biologischen Lebens sind Trockengebiete vielversprechende Forschungsgebiete. Die Forscher und Forscherinnen des SFB 1211 versuchen etwa evolutionäre Schwellen zu ermitteln, so genannte ›tipping points‹. So wird erforscht, ab wann und unter welchen Bedingungen Leben überhaupt möglich ist, wie es sich entwickelt und welche Barrieren es gibt. 

Eine Kernregion, die vom SFB untersucht wird, ist die Atacama Wüste, in der die Forscher und Forscherinnen in Frühjahr 2017 erste Feldarbeiten durchgeführt haben. Sie ist neben den Polarregionen die weltweit trockenste Wüste und erstreckt sich vom Süden Perus über den Norden Chiles. Es gibt Gebiete, in denen jahrzehntelang kein Tropfen Regen fällt. So unwirtlich die Atacama auf den ersten Blick erscheint, gibt es aber auch hier Leben. Die Flora der Wüste ist mit rund 550 verschiedenen Pflanzenarten sogar erstaunlich vielfältig. Vor allem in den Küstenregionen finden sich Gräser, Pflanzen und Kakteen, die sich auf die kargen Lebensbedingungen eingestellt haben. Aber auch Insekten wie Käfer und sogar kleine Reptilien und Säugetiere haben sich hier ihre ökologische Nische gesucht. 

In der ersten Forschungsperiode des SFB sammeln die Forscher Wetterdaten und erstellen Klimamodelle. Zudem wird anhand geologischer Proben eine Chronologie der Landschaftsentwicklung ermittelt. So wird etwa aus dem Alter und der Zusammensetzung eines Bohrkerns, der aus einer zeitweilig wasserführenden Senke gezogen wird, rekonstruiert, wie sich das Klima im Verlauf der vergangenen Millionen Jahre verändert hat. Neben den vorwiegend geowissenschaftlichen Projekten beschäftigt sich ein Teilbereich des SFB mit der zeitlichen und räumlichen Ausbreitung der Flora und Fauna in der Atacama. 


Zahlen zur Atacama-Wüste:

Die Atacama an der Pazifikküste Südamerikas ist die trockenste Wüste der Welt.
In den zentralen Bereichen der Atacama herrscht bereits seit 15 Millionen Jahren beständig ein extrem trockenes (›hyperarides‹) Klima.
Klimadaten haben gezeigt, dass es Flussbetten gibt, die seit 120.000 Jahren kein Wasser mehr führen.
Im Vergleich zum Death Valley in den USA fällt in der Atacama im Jahresdurchschnitt nur etwa ein Fünfzigstel der Regenmenge.
Die Wüste nimmt eine Fläche von 75.573 km² ein. Zum Vergleich: Holland hat eine Fläche von nur rund 40.000 km².
Die Bedingungen in der Atacama sind denen auf dem Mars nicht unähnlich. Daher testet die NASA hier für ihre Mars-Rover-Missionen.
Die Atacama-Region ist sehr dünn besiedelt.  
Auf einen Quadratkilometer kommen durchschnittlich 3,4 Einwohner.