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Über Wisssenschaft müssen wir reden

Rektor Professor Dr. Axel Freimuth zur Krise in der Wissenschaftskommunikation 

Laborteams erforschen die Ursachen der Demenz. Eine Professorin beschreibt anhand von Satellitenbildern den Klimawandel und seine Folgen. Ein Doktorand entdeckt in alten Büchern einen eigentlich längst vergessenen Philosophen, dessen Arbeiten uns heute aber noch viel zu sagen haben. Beispiele aus dem Alltag der Universität zu Köln. Sie sprechen für eine lebendige Wissenschaft, die ihren Platz mitten in unserer Gesellschaft hat.

Doch komplexe Themen müssen einem breiten Publikum auch zugänglich gemacht werden: Es gilt, die Rollen von Wissenschaftlern, PR-Experten und Journalisten – insbesondere im Kontext der Digitalisierung – neu auszutarieren. Wie kann das geschehen? 

WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS IN DER KRISE 

In den vergangenen Jahren haben viele Redaktionen ihre Wissenschaftsressorts kleingespart oder komplett aufgelöst. Zugleich wurden Formate kreiert, die zwar wissenschaftliche Methoden nachahmen, in denen Wissenschaftler und Fachjournalisten aber kaum mehr zu Wort kommen. Sogenannte „Infotainment-Formate“ wie Galileo auf dem Privatsender ProSieben laufen seit fast 20 Jahren erfolgreich, obwohl die Qualität der Beiträge nicht immer wissenschaftlichen Standards entspricht. „Überraschende Fakten und faszinierende Bilder“, so auf den Webseiten der Sendung, sprächen eben ein größeres Publikum an als die Beschreibung eines typischen, manchmal ereignisarmen, Forscheralltags. Der Raum, in dem sich fundierter Wissenschaftsjournalismus entfalten kann, wird anscheinend kleiner und kleiner. Und das, obwohl das Interesse an wissenschaftlichen Themen gleichbleibend hoch ist. Nach einer aktuellen Befragung von „Wissenschaft im Dialog“, einer bundes weiten Initiative von Wissenschaftseinrichtungen und Förderern, geben mehr als ein Drittel der befragten Deutschen an, ein sehr großes oder zumindest eher großes Interesse an wissenschaftlichen Themen zu haben. 


DIE „NEUE“ WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION 

Dieses Interesse wird heutzutage aber ganz offensichtlich über andere Medien gestillt. Zwei Drittel der Befragten geben an, sich im Internet über Wissenschaft und Forschung zu informieren. Wissenschaftliche Informationen auf Videoplattformen wie YouTube oder in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter erreichen dabei knapp die Hälfte beziehungsweise ein Drittel derjenigen, die sich generell im Internet über Wissenschaft informieren. Gerade in der jüngeren Generation findet eine breite Abwanderung zu Social-Media-Kanälen und Online- Medien statt. Die Universität zu Köln erreicht mit einem Post bei Facebook zum Beispiel bis zu 120.000 Menschen, ihre Videos auf Plattformen von Youtube und iTunes U werden weltweit geteilt. Durch die Nutzung digitaler Medien kann über alle Grenzen hinweg sehr schnell und effektiv kommuniziert werden. Mit Veranstaltungen, die die Uni über ihre internationalen Portale bewirbt, erreichet sie sogar in den USA tausende „Follower“. Die werden in Echtzeit mitgenommen und können sich live über Streaming Veranstaltungen aus den Hörsälen in ihre Wohnzimmer holen. 

WARUM WIR TROTZDEM DEN „GUTEN“ JOURNALISMUS BRAUCHEN

Ist es nicht ganz hervorragend, dass Wissenschaftler direkt Leser, Zuschauer oder Zuhörer ansprechen können, ohne den Umweg über Journalisten gehen zu müssen? Auf den ersten Blick mag das zutreffen, auf den zweiten ist diese Einstellung jedoch kurzsichtig, denn: Guter Journalismus mit fundierten Recherchen und einer breiten Wissensbasis ist in einer Welt voller ungefilterter Informationen wichtiger denn je. Als kritische Instanz, die einordnet und bewertet. Die, unabhängig von Organisationsinteressen, Forschungsergebnisse auf ihre Wertigkeit überprüft. Journalisten müssen diese Aufgabe aber natürlich auch wahrnehmen können und wollen. Sie benötigen die Ressourcen und die Möglichkeiten, nicht nur die vermeintlich massenwirksamen Themen abzubilden, wie Hightech-Roboter und Untersuchungen zum Paarungsverhalten von Großstädtern. Sonst wird im „Sensationismus“ ihre Berichterstattung beliebig und damit wertlos. 

WELCHE AUFGABEN DER WISSENSCHAFT ZUKOMMEN 

Doch auch die Wissenschaft selbst muss ihrer Verantwortung innerhalb der Gesellschaft nachkommen und darf sich den neuen medialen Entwicklungen nicht verschließen. Wissenschaftler müssen sich heute auch Formaten stellen, in denen Partizipation großgeschrieben wird. Das alte Sender- Empfänger-Modell hat ebenso ausgedient wie der Elfenbeinturm: Am digitalen Lagerfeuer tauscht man sich auf Augenhöhe aus. Die Welt ist schneller geworden. Erkenntnisse über die Ursachen von Demenz, über Klimawandel und Philosophie werden im Sekundentakt auf Webseiten verbreitet und in Social-Media-Foren diskutiert. Experten müssen gesellschaftlich relevante Themen mit allem „Für und Wider“ darstellen und damit das befeuern, was heute in der Wissenschaftskommunikation am wichtigsten ist. Menschen in die Lage zu versetzen, faktenbasiert an Diskussionen teilzunehmen. Kein Zweifel: Wissenschaft braucht Kommunikation. Aber eben die richtige.