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Ja, ich träume von einer besseren Welt - sollte ich von einer schlechteren träumen?

Nachruf auf den außergewöhnlichen KölnAlumnus Otto Piene

Er gab der Schönheit der Natur eine künstlerische Wertung und band die Elemente – Luft, Feuer, Wasser – in seine Kunst ein. Der weltbekannte Künstler und ehemalige Kölner Philosophiestudent Otto Piene (1928-2014) beeinflusst über seinen Tod hinaus die Kunst der Moderne. 

„Der Himmel brannte, als er als 17-Jähriger noch in den Krieg eingezogen wurde. Das beeinflusste sein späteres Wirken und findet sich in seinen Kunstwerken, der Konzeption seiner Sky-Events und in seinen Feuerbildern wieder. Licht und der unendliche Himmelsraum wurden für ihn das Medium der Befreiung.“ So beschreibt Professorin Marita Bombek, emeritierte Professorin für Kunst und Kultur von Textilien/Kleidung/ Mode an der Universität zu Köln, sein künstlerisches Schaffen. 

Piene brachte selbst immer wieder zum Ausdruck, dass seine Kölner Studienzeit von 1953 bis 1957 – insbesondere bei dem Philosophen Bruno Liebrucks – eine wichtige Grundlage für seine künstlerische Arbeit gewesen sei. Er blieb der Universität und der Stadt Köln stets verbunden. Marita Bombek erinnert sich an seine außergewöhnliche Persönlichkeit. Als frühe Zeitzeugin seiner Kunstexperimente und Projekte kannte sie den Künstler sehr gut. „Ich habe ihn als Lehrer 1963 in meinem Modedesign- Studium in Düsseldorf kennengelernt. 1965 ging er in die USA, wo seine experimentelle Kunst mehr Anerkennung fand.“ 1972 wurde er Professor für Umweltkunst am Massachusetts Institute of Technology. Von 1974 bis 1994 leitete er dort das Center for Advanced Visual Studies. „Gerade in den letzten zehn Jahren wurde der Kontakt wieder enger. Besonders durch die Workshops und Aktionen mit unseren Studierenden zeigte er seine Verbundenheit zu Köln“, beschreibt die 71-Jährige die Berührungspunkte. 

NEUE MODERNE IN DER KUNST 

Piene, Mitbegründer der Gruppe ZERO, galt bereits in den 1960er Jahren als Pionier für eine neue Moderne in der Kunst nach 1945. Er verabschiedete sich von der klassischen Malerei und Bildhauerei und verband für seinen künstlerischen Ausdruck Kunst mit technischen Innovationen. „Das war ein Tabu. Darüber habe ich damals immer mit ihm gestritten“, sagt Marita Bombek und schmunzelt. „Denn das war eben auch das Besondere an dieser Persönlichkeit: Er dachte nicht nur disziplinüber- greifend, sondern handelte auch so. Er verfolgte stets einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz.“ 

In mehrdimensionalen Arbeiten betrat er immer wieder Neuland, stets im Kontext mit der Natur und ihren Gewalten, mit Technik und ihren sozialen Auswirkungen. Das beeindruckte nicht nur die junge Kunststudentin Bombek, sondern Menschen weltweit: So ist sein 700 Meter langer „Olympia-Regenbogen“ in München 1972 noch Vielen in Erinnerung. 

STERNE VON UND MIT KÖLNER STUDIERENDEN 

Es ist vor allem Marita Bombek zu verdanken, dass auch Studierende der Universität zu Köln Otto Piene kennenlernen durften. Auf ihre Einladung hin beteiligte er sich 2007 zum Beispiel an dem Symposium „Licht in der Kunst der Gegenwart“ im Museum Ludwig. Im Vorfeld des Sky-Events zur Eröffnung der Humanwissenschaftlichen Fakultät 2006 nahm er einen Lehrauftrag wahr. An der „Nuit Blanche“ in Paris im Jahr 2008 waren Studierende der Fächer Kunst, Musik und Textil beteiligt und gestalterisch aktiv. Sie stellten die Sterne „Paris-Star“ und „Selenicereus“ und eigene Inflatables für einen Kongress in Bregenz 2008 her – große genähte Stoffskulpturen mit einem Durchmesser von 25 bis 35 Metern, die mittels bis zu 30 Meter langer Heliumschläuche durch den Himmel bewegt werden. „Die Herstellung von Sky-Skulpturen und die Teilnahme an drei Sky Art Events waren prägende Erfahrungen für unsere Studierenden. Sie erlebten Otto Piene nicht nur als einen zukunftsweisenden Künstler, sondern auch als einen beeindruckend offenen Menschen und einfühlsamen Pädagogen“, so Bombek. 

Otto Piene wirkte künstlerisch in fast allen Disziplinen: Malerei, Design, Porzellan, Lichtkinetische Arbeiten wie die Plastik „Licht und Bewegung“ am Wormland-Haus in Köln, Architektur wie der „Star Pit“-Brunnen im Mediapark. Auch Vorformen digitaler Kunst gehörten dazu: Mit dem WDR realisierte er 1968 „Black Gate Cologne“, die erste von Künstlern für das Fernsehen gestaltete Sendung.

„Eine unendliche Bandbreite“, fasst Marita Bombek zusammen. „Dabei war er als Person immer zurückhaltend. Seine Ausstrahlung wird denen im Gedächtnis bleiben, die ihn kennengelernt haben.“ Otto Pienes Vision ist nach wie vor zukunftsweisend: Kunst mit Natur, Wissenschaft und Technik verbinden, um diziplinüberschreitend auf den Zustand der Welt aufmerksam zu machen. So auch sein oft wiederholtes Bekenntnis: „Ja, ich träume von einer besseren Welt – sollte ich von einer schlechteren träumen?“