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»Herr P-P-Präsident, de Woosch«

Hänneschen-Theater: Völkerkundler Prof. Orywal über die Anfänge »hinger d’r Britz«.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kölner Uni erforschen, erkunden und erleben Köln. Ihre Forschungen beschäftigen sich mit Flora, Fauna und nicht zuletzt den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt gestern und heute. Über Interessantes, Skurriles, Typisches oder auch weniger bekanntes berichten sie in dieser Rubrik. Dr. Erwin Orywal, Professor für Völkerkunde, erinnert an die Anfänge »hinger d’r Britz«.

Generationen von kölschen Kindern und Erwachsenen haben über sie schon gelacht: Speimanes, Tünnes und Schäl, Schutzmann Schnäuzerkowski, Köbeschen, Röschen oder Mählwurms Pitter. »Herr P-P-Präsident, de Woosch«, ist das geflügelte Wort der Karnevalssitzung des Hänneschen Theaters, die Puppenspiele der Stadt Köln, und dann antwortet der ganze Saal vergnügt: »De Woosch«.

Die Puppenspiele sind seit 216 Jahren eine urkölsche Institution. Jedoch war es kein Kölner, der 1802 das Stockpuppen Theater gründete, sondern ein geborener Bonner. Johann Christoph Winters, ein einfacher Schneider, Maler und Anstreicher, hatte auf seinen Wanderjahren das Puppenspiel kennen gelernt und versuchte damit, sich in den arbeitsarmen Wintermonaten in Köln ein Zusatzeinkommen zu verschaffen. Er stellte jährlich Anträge beim Oberbürgermeister der Stadt Köln, um zunächst Krippenspiele für Kinder aufzuführen.

Eine erste feste Spielstätte bezog er 1804 in der Mauthgasse der Kölner Altstadt. Trotz wechselnder Spielstätten war ihm von Anfang an Erfolg vergönnt, und schon 1823 war sein Hänneschen Theater Teilnehmer im ersten Kölner Rosenmontagszug auf dem Neumarkt. Selbst Ferdinand Franz Wallraf, der spätere Rektor der Universität zu Köln (1793 – 1796), und der Kaufmann und Kunstsammler Mathias Joseph de Noel schrieben Stücke für das Theater.

Charakteristisch für diese Stücke sind die von ihm erfundenen Stockpuppen, die jeweils auf ihre Art die kölsche Lebensart darstellen. Das kölsche Schlitzohr (der Schäl) ist genauso vertreten wie der etwas einfältige kölsche Bauer (Tünnes), die kölschen »Pänz« Hänneschen, Bärbelchen, Röschen und Köbeschen, die preußische Obrigkeit (Schutzmann Schnäuzerkowski), die Großfamilie mit Oma und Opa (Besteva und Bestemo) oder der Kaufmann (Mählwurms Pitter - die Figuren aus dem Hänneschen Theater.).

Tünnes und Schäl zählen heute zu den kölschen Helden und sind weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus bekannt. Sie repräsentieren die zwei Seelen in der Brust des Kölners, die heitere, teils rustikale Lebensart der Stadt (Tünnes) und die klüngelhafte Schlitzohrigkeit als die dunklere Seite. Immer wieder lassen sich noch heute zu diesen Charakteren tagesaktuelle Beispiele in der Politik oder im Leben der Stadt finden.

Diese Beziehung herzustellen, war auch Programm der Stücke von Johann Christoph Winters. Während der Tünnes schon als einer der ersten Charaktere im Figurenprogramm vertreten war, kam der Schäl erst Ende der 1840er Jahre hinzu. 1926 überführte der damalige Oberbürgermeister Kölns, Konrad Adenauer, das Stockpuppentheater in die Trägerschaft der Stadt. Seit Juli 1936 befindet sich das Theater an seinem bekannten Platz, dem Eisenmarkt in der Altstadt.

Die Stockpuppenspieler müssen eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen, perfektes Kölsch sprechen und singen können, nicht größer als 1,78 Meter »hinger d’r Britz«– hinter der 1,80 Meter hohen Bühne – sein, und nur mit ihren Händen Leben in die bis zu vier Kilo schweren Figuren bringen.

Aber auch die Fans des Hänneschen Theaters müssen harte Arbeit leisten, um an Karten zu kommen. Ausgerüstet mit Frikadellen, Schnittchen, Kölsch, Campingstühlen und auch Pavillons übernachten einige auf dem Eisenmarkt, um als Erste an der Kasse zu sein. Auch das ist Teil der kölschen Tradition.

Johann Christoph Winters starb am 5. August 1862 und wurde in einem Armengrab auf dem Friedhof Melaten beigesetzt.