zum Inhalt springen

»Einfach mal frühstücken im Café«

Die Corona-Beschränkungen verändern das Leben auf dem Kölner Campus grundlegend. Studierende, Promovierende und eine Mitarbeiterin schildern, wie das Arbeiten und Studieren unter Pandemie-Bedingungen gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie kämpfen.

Anna Euteneuer, Eva Schissler, Jan Voelkel

Zu Beginn des Wintersemesters 2020/21 kam der »Wellenbrecher-Shutdown« – wo sich doch viele Lehrende und Studierende gerade auf ein Hybridsemester mit mehr persönlichem Austausch gefreut hatten. Der Lockdown light trifft die Schulen und Universitäten nicht so hart wie im Frühjahr. Doch die meisten geplanten Präsenzveranstaltungen müssen erneut in den digitalen Raum verlegt werden. Gut, dass wir im Sommersemester alle schon zu Profis im Chatten, Zoomen und coronaschutzverordnungskonformen Teilen unseres Bildschirms geworden sind. Dabei finden nicht nur Seminare und Vorlesungen online statt. Auch Abschlussprüfungen werden über Konferenzschaltungen abgelegt, was besonders Promovierende vor eine neue, nicht ganz einfache Situation stellt.

Wie kommen besonders diejenigen, die als erste in ihrer Familie studieren, mit der Situation klar? Welche Herausforderungen haben internationale Studierende zu meistern und wie unterstützt die Universität sie weiterhin? Wie ist es, in Zeiten von Corona an einer Doktorarbeit zu arbeiten, wie funktionieren Experimente im Schichtbetrieb, Literaturrecherche im Homeoffice und die Erlangung des »Dr. dig.« per Zoom?

Hier berichten drei Promovierende, eine Studierende und eine Mitarbeiterin des International Office, mit welchen Einschränkungen sie durch die Pandemie an der Uni zu kämpfen haben – und welche unerwarteten Vorteile sich ergeben können.


Claudia Voigt hat am Institut für Geologie und Mineralogie zur Umweltisotopengeochemie promoviert. Bei ihrer digitalen Disputation fehlte ihr vor allem die Interaktion mit dem Publikum.

»Ende März, mit Startschuss der Kontaktbeschränkungen, habe ich meine Doktorarbeit abgegeben. Während die Kolleginnen und Kollegen ins Homeoffice gingen, nahm ich erst einmal zwei Wochen frei. Die Pause habe ich gebraucht und war froh, einfach nur zu Hause zu sein. Danach war ich aber schnell wieder voller Tatendrang. Ich brauche die Arbeit. Zum Glück war es bei uns auch möglich, weiter im Büro zu arbeiten, da die Möglichkeit bestand, in nicht genutzte Büros auszuweichen.

Corona kam für mich zum richtigen Zeitpunkt. Zu einem anderen Zeitpunkt während der Doktorarbeit hätte die Pandemie mehr negative Einflüsse darauf gehabt. Für Feldarbeiten war ich während der Arbeit vier Mal in Chile in der Atacama-Wüste. Das wäre unter Corona undenkbar gewesen. Die Verteidigung der Arbeit fand am 29. Mai 2020 online statt. Ich hätte lieber in Präsenz verteidigt. Wenn man vor dem Rechner sitzt und kein Publikum sieht, kann man schwer einschätzen, ob man das Publikum noch erreicht oder schon verloren hat. Komisch war auch, dass es nach dem Vortrag nicht wie gewohnt Applaus gab, sondern es direkt zum 45-minütigen Fragenteil überging.

Positiv war allerdings die Planung der Verteidigung. Der Termin stand schnell fest, es musste kein Raum gebucht werden und ein Kommissionsmitglied aus Göttingen musste nicht extra anreisen.«


Saygin Bilican promoviert am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD im Bereich Stammzellenforschung. Er schätzte, dass er im Homeoffice viel Zeit für Literatur hatte.

»Ich hatte bereits acht Monate an meinem Forschungsprojekt gearbeitet, mich im Labor eingerichtet und die ersten Daten generiert. Corona stoppte dann die Experimente. Wir durften das Gebäude nur für absolut notwendige Aufgaben betreten. Ich konnte so zwar keine Experimente durchführen, aber alle zwei Tage durfte ich kurz ins Labor. Ich hatte viel Zeit, wissenschaftliche Publikationen zu lesen. Dazu reicht die Zeit unter normalen Umständen neben der Laborarbeit nicht immer. Ich habe eine gründliche Literaturrecherche gemacht und mich von anderen Arbeiten inspirieren lassen.

Ein Vorteil war auch, dass ich meine bereits produzierten Daten auswerten konnte und mehr Zeit hatte, künftige Experimente zu planen. Das CECAD ging dann nach rund eineinhalb Monaten zum Schichtdienst über, sodass größere Experimente wieder möglich waren. Seither herrschte auf der Arbeit wieder eine Art Normalität.

Als internationaler Doktorand telefoniere ich regelmäßig mit meiner Familie in der Türkei. Einen Besuch möchte ich momentan nicht riskieren. Es sind zu viele Berührungspunkte: in der Straßenbahn, am Flughafen, im Taxi. Es ist schon merkwürdig, wie man auf einmal das einfache Frühstücken im Café oder das Essengehen vermisst. Vorher war es ganz selbstverständlich. Vor Corona hatte ich die Möglichkeit, habe sie aber nur wenig genutzt. Zurzeit halte ich mich nicht gerne unter zu vielen Menschen auf und würde nur zu gern Freunde auf einen Tee treffen.«


Magdalena Kremer hat im Fachbereich Biochemie eine Doktorarbeit zur Synthetischen und Strukturellen Biochemie vorgelegt. Sie störte, dass sie während ihrer Verteidigung unter »Maskierten« die Mimik und Gestik der Teilnehmenden nur schwer lesen konnte.

»Ich war Mitte März auf der Zielgeraden meiner Laborarbeit, als ich ins Homeoffice wechseln musste – der ideale Zeitpunkt, um mir die vielen Daten anzusehen. Nach drei bis vier Wochen ging es dann unter Hygieneauflagen zurück ins Labor. Ich habe nach Rücksprache mit meinem Chef festgelegt, welche Experimente noch dringend nötig sind und mich darauf fokussiert. Weitere Experimente habe ich auf die Zeit nach der Promotion verschoben. Gearbeitet wurde in Blöcken: eine Woche im Labor, dann ein bis zwei am Schreibtisch bis zur Abgabe im Juli. Das war sehr gut, weil ich mich abwechselnd ganz auf die Experimente oder das Schreiben konzentrieren konnte.

Im September stand dann die Verteidigung der Arbeit an. Dank zertifiziertem Prüfungsraum im Institut mit genügend Abstand und Luftfilteranlage konnte ich in Präsenz Rede und Antwort für die Arbeit stehen – allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit und nur mit maskentragenden Prüfern. Es war bei den Fragen sehr schwierig, die Mimik der Prüfer zu lesen. Liegt man richtig oder ist man auf dem falschen Dampfer? Dennoch bin ich persönlich froh, dass ich nicht online verteidigen musste.«


Manuela hat ihr Studium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) in Köln begonnen und führt es nun an der Fachhochschule Südwestfalen (FH SWF) fort. Sie engagiert sich ehrenamtlich in einer regionalen Gruppe von Arbeiter- Kind.de, einem Sozialunternehmen, das sich für Studierende mit nichtakademischem Hintergrund engagiert.

»Die meisten Hochschulen erwarten eine sehr selbständige Arbeitsweise und viele Kenntnisse, was auch grundsätzlich okay ist. Aber wenn ich nicht weiß, was sie genau erwarten, wie kann ich danach fragen oder diese Erwartungen erfüllen?

Im Lockdown ist es für die Studierenden noch schwerer geworden, an die nötigen Informationen zu kommen. Wenn man aus einer Akademikerfamilie kommt, hat man viele dieser Informationen und Kompetenzen seitens der Eltern, die bereits ein Hochschulstudium absolviert haben, automatisch. Die Eltern wissen, wo man hilfreiche Literatur herbekommt und wie man das Studium organisiert. Studierende ohne diesen Hintergrund bringen das nötige Wissen meistens nicht mit. Mich hatten am Anfang meines Studiums Experten an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln eingewiesen, wie ich die Bibliothek bestmöglich nutzen kann, welche vor Ort und Online-Ressourcen ich als Externe im Vergleich zu den Studierenden der Universität zu Köln dort erhalte.

Im Moment fehlt vor allem der inoffizielle Austausch während, vor oder nach der Vorlesung mit den Kommilitonen und Dozenten. Gerade da werden viele wichtige Informationen vermittelt, Fragen geklärt oder auch Kontakte geknüpft. In der Pandemie ist vieles beschränkt auf Vorlesungen via Aufnahme, Ausarbeitung oder Online-Vorlesung. Individuelle Themen müssen extra organisiert werden. Dennoch freue ich mich, ein Teil davon zu sein und gebe all meine Kraft und Energie gerne in die wissenschaftliche Arbeit.

Dabei erhalte ich viel Unterstützung von ArbeiterKind.de. Das ist ein Netzwerk, dessen Gruppen sich in der Corona-Phase online und sonst vor Ort treffen und Informationen und Erfahrungen austauschen. Davon profitieren Studierende bundesweit, auch an der Uni Köln. Darüber hinaus vermittelt ArbeiterKind.de Mentorinnen und Mentoren für die Unterstützung vom Studienbeginn bis Studienabschluss sowie den Berufseinstieg. Ich lasse mich im Moment auf der einen Seite unterstützen, denn ich bin in meiner Familie die erste, die den Weg des Hochschulabschlusses wählt. Auf der anderen Seite nutze ich meine Netzwerke, um die Kölner Gruppe von ArbeiterKind.de bekannt zu machen. Auch stehe ich als Mentorin für die Organisation ein, da ich froh bin sie entdeckt zu haben und sie sehr schätze.«


Daniela Simut-Perent leitet im International Office das Sachgebiet »Betreuung internationaler Studierender und Doktorand/innen«. In dem gemeinsamen Corona-Tagebuch des Dezernats hat sie ihre Erfahrungen geschildert.

»Die Ausländerbehörde hatte in dem Pandemie-Kontext Entscheidungen getroffen, die den internationalen Studierenden zugutekamen, zum Beispiel den Aufenthaltsstatus ›automatisch‹ für eine bestimmte Zeit verlängert. Herausforderungen gab es dennoch und wir haben uns intensiv auch mit Einzelfällen beschäftigt: zum Beispiel Studierende, die in den Ferien im Heimatland waren und bis zum heutigen Zeitpunkt nicht einreisen konnten, obwohl ihr Lebensmittelpunkt mittlerweile in Deutschland und Köln ist.

Bestimmte Veranstaltungen, zum Beispiel die Willkommens- und Orientierungsveranstaltung für neue Studierende, interkulturelle Trainings und Workshops zu Business English fanden in digitaler Form statt. Bemerkenswert war, dass die Teilnahme an diesen Veranstaltungen größer war als in den Präsenzveranstaltungen. Vielleicht ein kleiner Lichtblick in diesen schwierigen Zeiten.

Wir freuen uns über jede einzelne ›klassische‹ Mobilität, die stattfinden kann und stehen mit unserer – nun erweiterten – Expertise für die internationalen Studierenden zur Verfügung. Wir sind optimistisch, dass aus dieser Krise neue Hybrid-Formate für die Beratung und Betreuung dieser Zielgruppe entstehen werden, womit wir unseren Horizont erweitern und die Studierenden noch umfassender unterstützen können.«  

Die ZENTRALE STUDIERENDENBERATUNG ist die allgemeine Beratungsstelle der Universität, wenn es darum geht, ein Studium zu finden und bestmöglich zu gestalten. Die Beratung unterstützt Studierende dabei, selbstständig ihr Studium zu planen und zu organisieren und auch eventuelle schwierige Situationen im Studienverlauf zu bewältigen.

Die ABTEILUNG 92 INTERNATIONALE STUDIERENDE begleitet die internationalen Studierenden und Promovierenden von der Bewerbung und Einschreibung über das gesamte Studium hinweg. Sie berät zu Themen wie Bewerbung, Visum, Arbeitserlaubnis oder Finanzierung des Studiums. Ebenfalls bietet die Abteilung eine Bandbreite an Veranstaltungen für (internationale) Studierende und Promovierende an: Interkulturelle Trainings, Workshops zum akademischen Schreiben und zur deutschen Wissenschaftskultur, Veranstaltungen im Studium Integrale (zum Beispiel das Projekt EUConnect!) sowie Exkursionen.

Das ALBERTUS MAGNUS CENTER ist die zentrale Informations-, Weiterbildungs- und Beratungsstelle für alle Promotionsinteressierten sowie Promovierende und Postdocs der Universität zur überfachlichen Weiterbildung, Information, Beratung und Vernetzung. Ziel ist es, vor allem die Übergangsphasen zwischen einzelnen Karriereschritten – die »Transition Phases« – effektiv zu unterstützen.

Promovierende aus nichtakademischen Familien erhalten an der Universität zu Köln in der Pandemie und darüber hinaus Unterstützung. Der Verein »ERSTE GENERATION PROMOTION« (EGP E.V.) ist eine Initiative von Promovierenden und Absolventinnen der Universität. Er bietet Beratung und Vernetzung für Masterstudierende und Promovierende an, die aus nichtakademischen Elternhäusern stammen. 

Bei ARBEITERKIND.DE arbeiten 6.000 ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren deutschlandweit und treffen sich in 80 lokalen Gruppen zu regelmäßigen Stammtischen. Das Sozialunternehmen informiert bereits an Schulen, um eine Unterstützung über den gesamten Studienverlauf bis hin zum Berufseinstieg zu ermöglichen.