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Ein besonderes Hundehalsband

Myrle Dziak-Mahler, Leiterin Zentrum für LehrerInnenbildung, über fellige Familien­mitglieder

Wer von uns kennt sie nicht? Diese  unerfüllten Wünsche, die wir als  Kinder hatten und an die man  sich sein Leben lang bitter-süß erinnert?  Meiner war es, einen Hund zu haben. Allerdings  hatte ich nie einen, nur einen Kanarienvogel  – das höchste, was meine Eltern mir  zugestanden. Bis zum Jahr 2006: Mein erster  Hund, der gerade mal 16 Wochen alte Boxerrüde  Fellini, zog bei uns ein.

Fell, wie wir ihn  nannten, war bedeutend mehr als ein süßes  Fellknäuel, mit dem man laufend raus musste.  Er war die Erfüllung eines Traums, der mir  Türen zu meiner Persönlichkeit öffnete, von  denen ich bis dato nicht einmal wusste, dass  es sie gab. Fell starb früh, er war unheilbar  krank. Ich war bei ihm, als er eingeschläfert  wurde. Was ich behielt, war sein Halsband.  Was ich lernte war Vertrauen in mich, zum  richtigen Zeitpunkt das Richtige zu entscheiden  und meinen geliebten ersten Hund auf  seinem Weg in den Tod zu begleiten. 

Der Tod von Fell war schrecklich, gleichzeitig  spürte ich nach wenigen Monaten,  dass mein Wunsch nach einem Leben mit  Hund nicht gestillt war. Nala kam zu uns:  eine quirlige, freche Ridgeback-Hündin. Puh!  Mehr als einmal fragte ich mich, was wir uns da ans Bein gebunden hatten. Wieder lernte  ich viel in den neun Jahren, die Nala bei uns  lebte – vor allem über Führung. Ridgebacks  haben neben ihrem sprichwörtlichen wilden  Mut vor Löwen auch einen höchst sensiblen  Charakter. Das zeigte mir eindrücklich,  dass ich bedingungsloses Vertrauen in  meinen Hund haben kann, ihm aber auch  eine ordentliche Portion Orientierung mit  auf den Weg geben musste. Zum Glück  hatte ich das Halsband von Fell noch – es  war erprobt und gab sowohl mir als auch  Nala das sichere Gefühl, dass ich im Zweifel  schon wusste, wohin es geht. 

Nala blieb Zeit ihres Lebens eine Herausforderung.  Kadavergehorsam war ihr fremd;  in jeder Situation musste man damit rechnen,  dass sie ihre eigenen Entscheidungen  traf. Das Halsband wurde unser Signal. Ich  musste nur meine Hand auf das Band legen  und sie wusste: Jetzt entscheidet Myrle.  Das half ihr sich zurechtzufinden. In unbekannten  Situationen war es der Griff ans  Halsband, der sie zu mir hochschauen ließ.  Und ich las in ihren Augen, dass sie froh  war, dass ich da war und entschied. Nala erkrankte  an Knochenkrebs. Wir erfuhren es  im Januar, Pfingsten starb sie. Wieder eine  schwere Entscheidung, und wieder behielt  ich das Halsband. 

Es lag monatelang zusammen mit einem  Foto von Nala in meinem Regal im Büro.  Bis Sam bei uns einzog. Sam, ein deutscher  Schäferhund, sollte eigentlich die Kölner  Polizeistaffel verstärken, musste aber abgegeben  werden, denn Sam wollte alles Mögliche,  nur beißen, das wollte er nicht. Sam  ist nicht frech wie Nala, er entscheidet auch  nicht hunde-intelligent wie die Hündin. Er  ist vielfach brav und gehorsam. Wenn allerdings  nicht, dann macht er, was ihm in den  Kopf kommt. Ohne Überlegung, einfach so.  Weil er es will. Und er hat Kraft – holla! Aber  ich habe ja das Halsband. Die Reaktion von  Sam ist nicht so feinfühlig wie die von Nala,  aber er weiß Bescheid. Und das Faszinierende  ist: Sam wird ruhiger, je stärker er spürt,  dass er im Zweifel mich an seiner Seite  hat. Ich weiß aber auch, Sam geht für mich,  für »seine Menschen« durchs Feuer.