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Echt Kölnisch Wasser?

Dr. Erwin Orywal, Professor für Völkerkunde erzählt die Geschichte des Kölnisch Wassers.

Bei der überwiegenden Mehrheit der Köln Touristen, ja selbst bei den meisten Kölnern, herrscht Einigkeit: 4711 ist das original Kölnisch Wasser. Diese Überzeugung ist nicht verwunderlich, denn 4711 war und ist ein Global Seller und ein Markenzeichen, das wie der Dom unmittelbar mit Köln verbunden ist. Auch jedem Zugreisenden wird diese Botschaft in übergroßen gelben und türkisfarbenen Leuchtbuchstaben am Abschluss des Glasdaches des Kölner Hauptbahnhofs mit auf den Weg gegeben, „4711 – Echt Kölnisch Wasser.“ Noch bevor ein Reisender den Dom sieht, schwebt schon seit den fünfziger Jahren insbesondere in der dunklen Jahreszeit die Botschaft leuchtend über ihm. Kann es daher sein, dass 4711 zwar ein „echt“ kölnisch Wasser ist, aber nicht das „original“ kölnisch Wasser?

Die Geschichte des Kölnisch Wassers beginnt vor über 300 Jahren mit der Herstellung und Verkauf eines Wunderwassers – das „Aqua Mirabilis“. In dieser Zeit war aqua mirabilis eine Sammelbezeichnung für alkoholische Wässer zur medizinischen, kosmetischen oder parfümistischen Anwendung. Die große Kunst dieser Zeit war die Erzeugung reinen Alkohols (Weingeist, Ethanol), dem man dann Duftöle zur Herstellung von Parfüm beigeben konnte. Im Jahre 1709 gründeten zwei italienischstämmige Brüder, Giovanni Battista (1683–1751) und Giovanni Maria Farina (1685–1766), die noch heute existierende, älteste Parfümfabrik der Welt in der Kölner Altstadt (Unter Goldschmied, Farina gegenüber dem Jülischs-Platz, heute Obermarspforten 21). Als zunächst „Außerstädtischer“ erhielt Johann Baptist Farina zunächst das kleine, dann das große Bürgerrecht, mit dem er sich in Köln als „Händler mit französisch Kram“ (Seidenwaren, Taschentücher, Tabakdosen, Federn, Perücken oder Puder) selbstständig machen durfte. Katholisch waren sie ja, die Farinas, denn dies war eine weitere Voraussetzung für das Kölner Bürgerrecht und die Aufnahme in eine der Kölner Gaffeln. Gemäß des Zeitgeistes benannte er nun sein aqua mirabilis in das modern klingende französische „Eau de Cologne“ um, und das „original“ Kölnisch Wasser war geboren.

In der Folgezeit wurde das Eau de Cologne der Firma Farina ein Global Seller, nicht nur an den Adelshöfen Europas, sondern auch in den bürgerlichen Mittelschichten. Dieser Erfolg verleitete nun Nachahmer dazu, sich mit dem Namen Farina einen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg in der, nach dem süd-französischen Grasse, Stadt der Parfümeure zu sichern. Im Jahr 1792 soll der Kölner Kaufmann Wilhelm Mülhens, tätig in „Spekulationsgeschäften“, ein Hochzeitsgeschenk bekommen haben, nämlich das Rezept für ein Aqua Mirabilis, angeblich von einem Mönch namens Farina. 1803 soll dann Mülhens die Namensrechte von einem Bonner oder Düsseldorfer Herrn mit Namen Carl Franz Maria Farina, der aber nicht mit der Parfümeur Familie verwandt war, gekauft und folglich bis 1881 sein Duftwasser unter dem Namen Franz Maria Farina vermarktet haben. Dies war zwar ein klarer Fall von Markenpiraterie, der allerdings damals noch nicht illegal war. Markenrechte kannte man noch nicht.

Wie aber kam es denn nun zum Markennamen 4711? Auch dies ist wiederum eine wundersame, aber schöne Geschichte. Im Jahr 1794 wurde Köln von den Franzosen besetzt. Es soll eine Hauszählung stattgefunden haben, und ein in Köln allseits bekannter französischer Reiter auf seinem Schimmel zeichnete mit einem Stift die Hausnummer „4711“ an das Haus in der Glockengasse, dem Stammsitz der Firma Mülhens. Diesen Reiter hat es wohl nie gegeben, auch wenn er ab 1949 zum Werbeträger der Firma wurde. Im Jahr 1881 wurde der Firma Mülhens vom Königlichen Oberlandesgericht endgültig untersagt, mit dem Namen Farina zu werben. Es erfolgte daher die Umbenennung in „4711“ bzw. in den genauen Handelsregistereintrag „Eau de Cologne & Parfümerie Fabrik Glockengasse 4711 gegenüber der Pferdepost von Ferd. Mülhens in Köln am Rhein“. Dies war die Geburtsstunde einer weiteren Weltmarke aus Köln. Ferdinand Mülhens, der Chef des Hauses und Gründer der modernen Produktionstätte im Jahr 1874 in Ehrenfeld, bekam aufgrund der nun beginnenden Erfolgsgeschichte des Hauses den typisch kölschen Spitznamen „De Naas vun Kölle.“

Diese leicht verwunderliche Geschichte wird abgerundet durch die Tatsache, dass das zu Beginn der 1850er Jahre im neugotischen Stil erbaute heutige Haus in der Glockengasse nicht das Originalgebäude der Firma ist, obwohl tausende Touristen jährlich dorthin pilgern. Köln kann sich jedoch weiterhin rühmen, die Stadt zweier weltberühmter Düfte zu sein.