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Das Tier im Menschen

Haie und Menschen teilen schon früh eine besonders bittere Fähigkeit

Zuweilen erreichen uns eigentümliche Themen, die in der Redaktion so manches »Aah« oder »Ooh« auslösen. Diesmal geht es um eine besondere Fähigkeit, die Haie und Menschen seit frühester Zeit teilen.

Von Jan Voelkel


Menschliche und tierische Fähigkeiten in einem Wesen vereint – das ist eher Stoff für Superheldenfilme als reale Begebenheit. Spiderman hangelt sich in New York von Hochhaus zu Hochhaus, Wolverine vielfraßt sich von Japan aus in den Rest der Welt, Batman flattert in Gotham City Verbrecher zur Rechenschaft und Morbius findet durch Kreuzung von Menschen- und Fledermaus- DNA die Heilung seiner Krankheit (muss man nicht gesehen haben). Das echte Leben ist selten so spektakulär wie Hollywood, aber mit etwas Fantasie wäre manche tierische Fähigkeit schon hilfreich.

Als schnellster Esser im Säugetierreich kann der Sternmull ein Insekt innerhalb einer Viertelsekunde finden und verschlingen. Die Mittagspause wäre in null Komma nix abgehakt und es bliebe noch Zeit für ein Schläfchen. Der Sternlippenbasilisk ist der Messias unter den Echsen und kann über Wasser laufen. Eine Fähigkeit, die einen gerade im Winter vor nassen Füßen bewahren würde. Und hätten wir mehrere nachwachsende Zahnreihen wie manche Haiarten, wäre das vielleicht nicht attraktiv, aber Corega Tabs wären Geschichte.

Tatsächlich haben wir mit Haien bisher unbekannte Gemeinsamkeiten. Neue genetische Daten zeigen, dass Menschen und Haifische Rezeptoren für bittere Substanzen teilen, obwohl sich die evolutionären Wege schon vor vielen Millionen Jahren trennten. Ein Forschungsteam aus der Kölner Neurobiologie hat in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie in Freising einen Geschmacksrezeptor für Bitterstoffe in zwölf verschiedenen Knorpelfischen (Haie und Rochen) entdeckt. Der Rezeptor gehört zu den sogenannten Typ 2 Geschmacksrezeptoren, die auch bei Menschen dafür sorgen, bittere und potenziell giftige Nahrungsstoffe wahrzunehmen.

Haie besitzen viele Gene mehrfach, das Bitter-Gen fanden die Forschenden aber nur in einfacher Ausführung, während beim Menschen zwei Dutzend verschiedene Bitter-Gene vorkommen. Daraus folgern sie, dass es sich beim Hai Bitter-Gen um das ursprüngliche Gen handelt. »Diese Ergebnisse ermöglichen uns ganz neue Einblicke in die Evolution dieser Rezeptoren: Wir können fast 500 Millionen Jahre auf den molekularen und funktionalen Ursprung einer ganzen Familie von Rezeptoren für Bitterstoffe zurückblicken. Denn so alt ist der letzte gemeinsame Vorfahre von Knorpel- und Knochenfischen«, sagt Professorin Dr. Sigrun Korsching, Mitautorin der Studie.

Wer weiß, vielleicht finden sich in unserem Genom ja noch Dental-Gene für die besagten Zahnreihen (das treffend benannte Revolvergebiss), die sich reaktivieren lassen. Ansonsten könnte Steven Spielberg übernehmen und einen gruseligen Mutanten-Blockbuster auf die Leinwand bringen.