zum Inhalt springen

Blaue Bücher

 Der Wüstenforscher Dr. Stefan Kröpelin über seine „Blauen Bücher“

Jeder kennt sie, jeder hat sie. Dinge, die unter den vielen Gegenständen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, einen besonderen Stellenwert haben. Wir verbinden sie mit einer Person, einer Begegnung oder einem besonderen Augenblick. Wir haben uns umgehört und gefragt, welche Dinge unseren Lesern besonders wichtig sind, und uns ihre Geschichte erzählen lassen. Der Wüstenforscher Dr. Stefan Kröpelin über seine „Blauen Bücher“

Was bleibt außer meinen Erinnerungen von gut 50 Forschungsreisen in den entlegensten Regionen der Sahara? Die geologischen Proben, die dazu gehörigen Positionsangaben, Fotos und am wichtigsten: die Aufzeichnungen. Für diese benutze ich seit 35 Jahren kleine stabile Feldbücher im A6Format, die auch Sandstürmen trotzen, mit einer Schlaufe, in der ein Stift ständig verfügbar ist. Rund um die Uhr trage ich eines bei mir und mache Notizen. Nicht nur fachliche Angaben zu Navigation, Fundorten oder Probenahmen, sondern auch Adressen, Gesprächsnotizen, Ideen, Ausrüstungskritik und Persönliches. 

Auch wenn ich später manches nicht mehr entziffern kann, was auf holpriger Fahrt oder beim Laufen hastig notiert wurde, entreißt es längst vergangene Beobachtungen, Erlebnisse und Stimmungen der Vergessenheit. Am 13. Dezember 2003 wurde mir in Khartum unmittelbar vor der Abfahrt in den Tschad mein Rucksack gestohlen mit den Pässen und Flugtickets aller Teilnehmer, sämtlichen Zollpapieren, Reise- und Forschungsgenehmigungen, allen meinen Ausweisen, Bank- und Kreditkarten, Geld, Notebook, Kamera, Handy, Satellitentelefon, PDA, GPS-Empfänger, Schlüsseln der drei Landcruiser – der GAU, der jahrelange Vorbereitungen und das gesamte Tschad-Projekt unseres Sonderforschungsbereichs 389 „ACACIA“ in einem Moment zunichtezumachen schien. Nur mein Notizbuch, das ich wie immer bei mir trug, blieb verschont. 

Nicht nur, dass auch dieser Vorfall mit Zeitund Ortsangaben und der Verlustliste darin dokumentiert ist, half es anhand der Adressen sudanesischer Freunde und Institutionen, dass wir nur drei Tage später mit neuen Papieren und Geräten auf dem Höhepunkt des Konflikts quer durch den Darfur zu den Kollegen aufbrechen konnten, die auf der tschadischen Seite am Westrand des Ennedi-Plateaus auf uns warteten. Für mich sind die kleinen blauen Bücher das wichtigste Utensil aller Expeditionen. Und vielleicht die Grundlage eines Buches, das ich schreiben will.”