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Albträume und Papiermonster

Studierende entwickeln Computerspiel ohne Vorwissen in nur einem Semester

Ein Computerspiel zu entwickeln, ohne Vorwissen und in nur einem Semester, ist eine große Herausforderung. Studierende haben es im Seminar »Computerspiele« gewagt und ganz nebenbei gelernt, wie die Arbeitswelt funktioniert.

Der Mond steht voll am Nachthimmel, fahl scheint er durch das Fenster und beleuchtet das Zimmer. Ein Kind schläft ruhig im Bettchen, während der Teddybär am Kopfende wacht. Alles ist ruhig. Doch dann, knarzend, öffnet sich der Kleiderschrank. Schiefzähnige Gespenster und krakenhafte Monster treten heraus. Erst eins, dann zwei, dann immer mehr. Zug um Zug rücken sie vor, nähern sie sich dem Kinderbett. Das Kind bemerkt von alldem nichts. Denn es wird beschützt von seinen Kuscheltieren, die sich den Monstern mutig in den Weg stellen. So beginnt »Bad Dreams: Paper Monsters«, eines von insgesamt vier Spielen, das Studierende im Wintersemester 2018/2019 in Seminar »Computerspiele« entwickelt haben. Die Studierenden haben gelernt, sich selbst zu organisieren

»Die Motivation der Studierenden war extrem hoch«, sagt Juniorprofessorin Dr. Brigitte Mathiak vom Institut für Digital Humanities, die das Seminar leitete. »Von der Idee über die Storyline und die grafische Animation bis zum Level- und Sounddesign haben sie alles in Eigenregie entwickelt.« Neben dem Monsterspiel entstanden so virtuelle Escape Room Spiele, Adventures und bunte Jump ’n’ Runs. Mathiak selbst hat eigentlich keinen Hintergrund in der Spieleentwicklung, vielmehr liegt ihr wissenschaftlicher Fokus auf dem Forschungsdatenmanagement. Das Seminar entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Digital Humanities, das den Masterstudiengang Medieninformatik anbietet. »Ich sehe es daher nicht unbedingt als meine Aufgabe, den Studierenden das Programmieren beizubringen. Ich bin eher ein Supervisor und versuche, sie in ihren Ideen anzuleiten und ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu organisieren«, so Mathiak.

Institut für Digital Humanities
Das Institut für Digital Humanities (IDH) wurde 2017 an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln gegründet und bündelt die beiden Lehrstühle für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung und für Sprachliche Informationsverarbeitung sowie die Juniorprofessur für Digital Humanities. Die Digital Humanites sind an der Universität zu Köln breit aufgestellt. Das IDH arbeitet daher eng mit den weiteren DH-Institutionen der Universität, dem Cologne Center for eHumanities, dem Data Center for the Humanities und der Archäoinformatik zusammen.

Die Computerspiele in wenigen Monaten auf die Beine zu stellen, ist eine beachtliche Leistung. Vor allem, da die Vorkenntnisse in Sachen Spieleentwicklung bei den meisten Studierenden gegen Null gingen. So auch Nina Eckertz, die »Bad Dreams: Paper Monsters« mit programmiert hat. »Wir waren in unserer Gruppe zwei Programmierer und konnten vorher im Grunde gar nichts«, sagt Eckertz. »Wir haben dann erst einmal super viele Tutorials geschaut und uns alles selbst erarbeitet. Das hat schon richtig viel Zeit in An- spruch genommen.« Allerdings haben nicht alle Kommilitonen und Kommilitoninnen auch Programmiersprache lernen müssen, schließlich sind die Aufgaben von Entwicklerteams vielfältig. So gab es auch in den Teams der Studierenden etwa die Bereiche PR & Social Media, Musik & Soundeffects oder jeweils Projektleiterinnen und Projektleiter. »Das Seminar ist in dieser Hinsicht sehr nah an der Arbeitswelt. Anstatt ein einzelnes Referat im Semester abzugeben, mussten die Studierenden Rollen verteilen und ihre spezielle Aufgabe das ganze Semester bearbeiten«, sagt Mathiak.

Dass das Teambuilding im Fokus steht, wurde den Studierenden direkt zu Beginn des Semesters klar. »Da hatten wir an einem Wochenende einen Workshop mit der Aufgabe, ein Mittagessen gemeinsam zu kochen«, sagt Sarah Hersping von den Astronauts, die ein Weltraumabenteuer rund um die Katze Orbicat, die ihr Raumschiff verloren hat, entwickelt haben. Es musste ein Rezept gesucht, eingekauft, Gemüse geschnippelt und zubereitet werden. All das in begrenzter Zeit und mit 11 Personen in einer engen Studentenküche. »Die Aufgabe war sinnbildlich für das ganze Seminar mit der Koordination, Organisation und den Deadlines. Jeder konnte sich einbringen. Wir mussten kommunizieren und haben gelernt, uns zu strukturieren. Das war eher wie in einem Job als in einem Uni-Seminar«, sagt Hersping.

Vorbereitung auf die große Präsentation

Von Beginn des Semesters arbeiteten alle auf Hochtouren. Es wurden Spieleideen gesammelt, entwickelt und verworfen, Marketingpläne und Nutzerstudien entworfen. Über das wöchentliche Seminar koordinierten sich die Studierenden weitestgehend selbst, hielten sich über WhatsApp und Projektmanagement-Apps auf dem Laufenden. Aufgaben auf die lange Bank zu schieben war also nicht drin, schließlich war der Zeitplan eng und die Kommilitoninnen und Kommilitonen wollten wissen, was in ihren Projekten passiert. Erste spielbare Ergebnisse gab es für die Seminarteilnehmer bereits im Dezember, zwei Monate nach Semesterstart, zu sehen. Das war ein Meilenstein, weil klar wurde, dass die Ideen funktionieren. Dennoch mussten sie weiterhin Gas geben, weil die Studierenden noch die DHCon geplant hatten. Die DHCon sollte eine kleine Messe sein, bei der sie ihre Spiele präsentieren.  

»Ich wollte den Seminarteilnehmern und -teilnehmerinnen die Möglichkeit geben, ihre Spiele auch an die Öffentlichkeit zu bringen. Es wäre einfach zu schade, wenn die Ideen nach all der Mühe einfach versanden«, sagt Mathiak über ihre Idee. Im Foyer des Philosophikums fand die DHCon dann zum Semesterende statt. Alle Spiele wurden rechtzeitig fertig und waren für das Publikum anspielbereit. Gleichzeitig stellten Poster die Spielidee und den Entwicklungsprozess vor. Offenbar schlugen Mathiak und die Studierenden in eine Kerbe, denn das Philosophikum war voll und das Publikum sichtlich angetan. »Die DHCon als Präsentationsmöglichkeit, die Teamarbeit, das Spiel als Resultat als Arbeitsprobe und nicht zuletzt der Spaß daran, etwas ganz Neues zu lernen: Ich bin sicher, dass das Seminar den Studierenden viel gebracht hat. Daher wird es bestimmt auch im nächsten Semester wieder auf dem Lehrplan stehen«, sagt Mathiak.