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Oh, wie schön ist Panama!

Die Tiefsee ist das am wenigsten erforschte Ökosystem der Erde. Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen die Funktion von mikrobiellen Lebensgemeinschaften entschlüsseln.

Oh, wie schön ist Panama! Doch das schmale Land zwischen Nord- und Südamerika verschwindet Stück für Stück am Horizont, als das deutsche Forschungsschiff METEOR langsam an Geschwindigkeit aufnimmt. Es geht auf hohe See für die Besatzung, die aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von der Universität zu Köln, der Universität Wien und vom GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel besteht. 15 Frauen und 13 Männer brechen auf: zunächst in die Weiten des Karibischen Meeres und dann über den südlichen Nordatlantik bis nach Kap Verde, nahe der Westküste Afrikas. Mehr als 9.000 Kilometer liegen vor ihnen. Auf der vierwöchigen Expedition möchte das Forschungsteam dem Wasser und dem Sediment neue Geheimnisse über die bewegte Geschichte des Atlantischen Ozeans entlocken. In einem online zugänglichen Logbuch hält die Besatzung ihre Erlebnisse fest. 

8. JULI 2017
Nieselregen und Aufbruchstimmung. In weniger als 72 Stunden erreichen wir unsere erste Zwischenstation. Wir konnten etwas früher als geplant aus dem Hafen von Bahia las Minas, Panama, auslaufen und haben unsere erste Mahlzeit in der Schiffsmesse eingenommen. Vor uns liegt ein straffer Zeitplan, doch die Stimmung ist gut. 

Prof. Dr. Hartmut Arndt, Professor für Allgemeine Ökologie an der Universität zu Köln, leitet die Expedition »Mikrobielle Nahrungsketten in der Tiefsee und Vulkanismus im Atlantischen Ozean«, die unter der METEOR-Nummer M 139 läuft. »Wir interessieren uns für die Tiefen des Ozeans und hier vor allem für die darin enthaltenen Bakterien und andere Einzeller, von denen wir annehmen, dass sie den Hauptanteil der Stoffumsätze in der Tiefsee leisten«, erklärt Hartmut Arndt. Zuerst heißt es für das Forschungsteam der M 139 allerdings: aufbauen, vorbereiten, einleben. Frachtcontainer haben die technische Ausstattung mit ihren kostspieligen Gerätschaften bis zum Starthafen geschippt, von wo sie im Bauch der METEOR sorgfältig zu einem vorübergehenden Labor aufgebaut und zusammengefügt wird. Alle Technik soll fest an ihrem Platz bleiben, gerade wenn es an Bord mal kräftig schaukeln wird. Der Kapitän klärt die Mannschaft mit praktischen Übungen über die Sicherheitsbestimmungen auf und schärft ihr ein, wie jeder Einzelne sich im Notfall zu verhalten hat. 

10. JULI 2017
 Windstärke sieben und ein ungewöhnlich hoher Wellengang führen die ersten seekranken Patienten zu unserem Schiffsarzt. Unter diesen Bedingungen kommt das Schiff nur lang- sam voran, wir sind im Verzug. Die Zeit nutzen wir, um uns vom Anblick des karibischen Meeres verzaubern zu lassen und beobachten in den Wellen Delfine. 

Die Gruppe steuert den ersten Entnahmepunkt für die Beprobung von Sedimentschichten aus dem 4.000 Meter tiefen Meeresboden an. In den vergangenen Stunden übten die Forscherinnen und Forscher das Prozedere trocken: Welche Handgriffe sind zu tun, wenn das Gerät den Bohrkern aus dem Wasser hebt? Bei den aufwändig zu Tage geförderten Kernen ist es wichtig, sie sorgfältig und schnell für die Analyse aufzubereiten, ohne dass wertvolles Sediment verloren geht. Wenige Millimeter Boden sind schließlich der Fingerabdruck von mehreren tausend Jahren Geschichte! 

Im Nasslabor werden die Kerne aus der Röhre isoliert. Einige Analysen können die Biologinnen und Biologen mit den mitgebrachten Mikroskopen an Bord vornehmen. Für tiefergehende Messungen werden Teile der Bohrkerne direkt eingefroren und gut gekühlt weiter ans heimische Labor der Universität zu Köln geschickt. 

13. JULI 2017
An der Wasseroberfläche ziehen Straßen von Braunalgen an uns vorbei. Durch die ansteigende Temperatur des Ozeans haben sie sich dramatisch vermehrt. Der Teppich ist riesig. Mit einem Netz fischen wir einige Stränge ab, denn uns interessiert, was für mikroskopisch kleine Lebensgemeinschaften sich auf der Alge herausgebildet haben. 

Die Tiefsee ist das am wenigsten erforschte Ökosystem der Erde. Arndt und sein Team vermuten, dass etliche bisher noch unentdeckte Arten sie bevölkern. Besonderes Augenmerk liegt auf den Ziliaten, auch Wimperntierchen genannt. Diese Einzeller weisen eine bisher kaum untersuchte Biodiversität auf und sind offenbar sehr anpassungsfähig an extreme Bedingungen – wie wenig Nahrung, hoher Druck oder niedrige Temperaturen. 

Das Team misst die aktuelle Temperatur der Tiefsee: An der Wasseroberfläche beträgt sie 28 Grad Celsius, ab einer Tiefe von 1.000 bis 1.500 Metern beträgt sie konstante 4 Grad Celsius bis hinab zum Grund. Bei 60 Metern Tiefe stellen die Wissenschaftler das »Chlorophyll- Maximum« fest – an diesem Schwerpunkt der Algendichte wird die größte Zahl von Organismen wie Viren, Bakterien und Protisten, also Einzellern erwartet, denn hier finden sie beste Überlebensbedingungen vor. Je tiefer es geht, desto höher wird der Druck des Wassers, desto weniger Nahrung gibt es. Artenreichtum und die Zahl von Organismen nehmen rapide ab. Bis zu welcher Tiefe schaffen die zähen Wimperntierchen es zu überleben? 

15. JULI 2017
Wow! Wir haben in der Oberfläche des Sedimentkerns den ersten leben- den Ziliaten in über 4.000 Metern Tiefe gefunden! Damit haben wir den bisherigen Rekord von 2.000 Metern geknackt. Dieses Wimperntierchen muss besonders talentiert sein, sich an die Tiefe anzupassen. Wie macht es das bloß?
 

Neben den Sedimentkernen untersuchen die Expeditionsteilnehmerinnen und -teilnehmer auch die Verteilung von Organismen im Meereswasser. Mithilfe eines hinabgelassenen sogenannten Kranzwasserschöpfers können Wasserproben aus unterschiedlichen Tiefen genommen werden. Im Schiffslabor werden die Wasserportionen dann in einer langwierigen Prozedur gefiltert. Übrig bleiben die kleinsten Organismen, die fleißige Forscher nun identifizieren, zählen und genauer analysieren. Später im Kölner Labor soll dann auch noch ihre Erbsubstanz sequenziert werden, um ein umfassendes Bild von der Diversität in der Atlantischen Tiefsee zeichnen zu können. 

20. JULI 2017
Mit etwas Glück stolpert man bei seinem Spaziergang durch den Dschungel von Containern, Maschinen und Stahlgerüsten über einen fliegenden Fisch. Tiere wie Heuschrecken und Geckos nutzen unser Schiff vermutlich seit Panama als behagliche Ferienwohnung. Fasziniert schauen wir auch den schönen Seevögeln zu. Voraussichtlich nächste Nacht erreichen wir unsere zweite Station.

OZEANBLOG: www.oceanblogs.org/m139