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Mit ILIAS das digitale Studium meistern

Die Kölner Lehr- und Lernplattform ILIAS ist heute weltweit im Einsatz

Wissenschaftler beim Online-Meeting vor dem Bildschirm

Vor 24 Jahren hatte ein Kölner Politikwissenschaftler eine verwegene Idee: das Internet nutzen, um die Hochschullehre zu unterstützen. Es war die Geburtsstunde der heute weltweit genutzten Lernplattform ILIAS. Seither hat sie in der digitalen Lehre völlig neue Wege eröffnet.

Von Mathias Martin und Mhiara Mühlbauer


Was bis Anfang 2020 immer noch ein Nischendasein führte, wurde in Pandemiezeiten zur Rettung des Studiums: die digitale Lehre. Quasi über Nacht mussten nun Dozentinnen und Dozenten ihre Vorlesungen per Video aufzeichnen und sich Gedanken machen, wie sich Fachvortrag, Übungen und Diskussionen ins Web verlegen lassen.

Eine vor mehr als zwanzig Jahren an der Universität zu Köln gestartete und seitdem immer weiter entwickelte Lernsoftware erweist sich dabei als Glücksfall: Ohne die umfangreiche Plattform ILIAS wäre ein digitales Studium, wie es derzeit der Regelfall ist, nicht durchführbar.

Und nicht nur die Kölner Uni profitiert davon. Seit 2000 wird ILIAS als Open-Source- Software an Hochschulen, Akademien und Weiterbildungseinrichtungen verwendet. Auch Unternehmen und Verwaltungsorganisationen nutzen ILIAS für ihre Weiterbildungsangebote – sogar die NATO und die Bayerische Polizei sind dabei. Heute gibt es weltweit Tausende von Installationen mit Millionen von Nutzerinnen und Nutzern. So wurde die Plattform von einem kleinen Uni- Projekt zu einer international anerkannten Lehr- und Lern-Software.

Neuland betreten

Entwickelt wurde ILIAS 1997/1998 von einem Team um Professor Dr. Wolfgang Leidhold am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät. »Für uns bestand die größte Herausforderung darin, wie man eine große Organisation wie die Universität in ihrer Breite dazu bringt, die neue Internettechnologie für die Lehre zu nutzen«, sagt der Politikwissenschaftler. »Wir brauchten eine gute Software, eine dazu passende flächendeckende Infrastruktur und vor allem Akzeptanz und genügend Knowhow auf Seiten der Anwenderinnen und Anwender. Es hat einige Zeit gedauert, aber ich glaube, es ist uns gut gelungen.«

Leidhold und sein Team wollten damals vor allem eines: eine internet-basierte und benutzerfreundliche Software für den Einsatz in der Lehre entwickeln. Mitte der 1990er Jahre war es gängige Praxis, solche Plattformen in HTML zu bauen, was jedoch unflexibel bei der Aktualisierung des Inhalts ist. »Wenn man den Inhalt verändern wollte, musste man jedes Mal den HTML-Code ändern«, sagt Leidhold. Er und sein Team wollten stattdessen eine stabile Oberfläche schaffen, bei der Inhalte schnell aus einer Datenbank generiert werden können, um Studierenden und anderen Nutzern einen einfachen Zugriff auf die digitalen Lehrinhalte zu ermöglichen. Keine leichte Aufgabe zu der damaligen Zeit.

»Softwaretechnisch, didaktisch und organisatorisch haben wir überall Neuland betreten. Als wir anfingen, waren weltweit erst rund sechs Millionen Rechner am Netz«, sagt Leidhold. Heute gibt es Schätzungen zufolge fast vier Milliarden Internetnutzer und -nutzerinnen weltweit.

Virtuelle Lehre ergänzt Präsenzlehre

Vor Ausbruch der Coronapandemie diente ILIAS in erster Linie dazu, im Rahmen von Blended-Learning-Szenarien Präsenzlehre mit einzelnen digitalen Elementen zu bereichern. Es ist aber auch möglich, ein komplettes eigenständiges Online-Lehrangebot mit Hilfe von ILIAS umzusetzen, wie dies gerade während der Pandemie geschieht. Das Lernmanagementsystem bietet vielfältige Optionen zur Organisation und Gestaltung der Angebote. Dadurch lassen sich viele Prozesse aus dem Präsenzunterricht in einer virtuellen Lernumgebung abbilden.

Blended Learning (oder hybrides Lernen) bezeichnet ein didaktisches Konzept, das die traditionelle Präsenzlehre mit Formen von E-Learning verbindet. Durch die Kombination von Präsenz- und Online-Angeboten sollen die Vorteile der jeweiligen Methode bestmöglich genutzt beziehungsweise deren Nachteile vermieden werden. Es gibt keine festen Regeln, wie diese Kombination gestaltet werden sollte. Vielmehr geht es darum, Präsenzangebote und digitale Lehrangebote jeweils so miteinander zu verbinden, dass als Ganzes ein didaktisch geplantes, stimmiges Lernszenario entsteht.

Lehrende können in ILIAS Studierenden – oder Schülerinnen, Workshop-Teilnehmern und Mitarbeiterinnen – Lehrinhalte in verschiedenen Formaten anbieten, wie zum Beispiel Texte, Audiobeiträge oder Videoaufzeichnungen. Über ein komplexes Authoring- Tool lassen sich einzelne multimediale Elemente zu Lernmodulen und Kursen verknüpfen. Es gibt Kommunikationswerkzeuge für den Austausch über E-Mail, Chats und Foren. Die Lernenden können virtuelle Lern- und Arbeitsgruppen bilden und gemeinsam an Online-Dokumenten arbeiten.

ILIAS bietet zudem die Möglichkeit Umfragen zu starten, um von Teilnehmerinnen ein Feedback zu den auf der Plattform eingestellten Inhalten zu erhalten. Lehrende können Schülern und Studierenden Lernpläne anbieten und mit Hilfe von Lernfortschrittsberichten den aktuellen Stand bei der Bearbeitung der Lehrinhalte ermitteln. Sie können Übungen und Tests in ihre Lernmodule und Kurse integrieren sowie Online-Klausuren über ILIAS abwickeln.

Dennoch: Trotz der umfangreichen Möglichkeiten von ILIAS ist digitaler Unterricht nicht für alle Schülerinnen und Studierenden gleichermaßen geeignet. Dazu sind die individuellen Lernvoraussetzungen und die Bedürfnisse der Lernenden zu unterschiedlich. Zudem lassen sich nicht alle Lehrinhalte gleich gut in digitaler Form aufbereiten und vermitteln. Auch Professor Leidhold stellt fest: »Der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch ist durch nichts zu ersetzen. Das ist das Feedback, das ich bis heute durchweg von Studentinnen und Studenten bekomme.«

Der Wissenschaftler hinter ILIAS ist überzeugt: Nach der Erfindung des modernen Buchdrucks sei auch niemand auf die Idee gekommen, Schulen und Universitäten abzuschaffen, weil man jetzt alles überall nachlesen konnte. So wie man früher Buch und Seminar verbunden hat, müsse man auch heute Buch, digitale Medien und Präsenzlehre kombinieren. 

ILIAS steht für »Integriertes Lern-, Informations- und Arbeitskooperations- System« und wird an der Universität vom CompetenceCenter ELearning (CCE) betreut. ILIAS ist die zentrale Lernplattform der Universität. Im Zusammenwirken mit dem Campusmanagementsystem Klips 2.0 ermöglicht sie allen Studierenden ein digital unterstütztes Studium. Mehr als 70 internationale Bildungseinrichtungen arbeiten als Teil der ILIAS-Community an der Weiterentwicklung der kostenfreien Open-Source- Software mit. Die Weiterentwicklung der Lernplattform wird seit 2009 durch den gemeinnützigen Verein ILIAS open source e-Learning e.V. unterstützt und vorangetrieben. Weiterbildungsangebote der Universität zum E-Learning mit ILIAS: www.ilias.uni-koeln.de