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Köln, London, Tokio?

Der Kölner Absolvent Tom Sinke hat in seiner Bachelorarbeit gezeigt, warum lokale Netzwerke für Musiker wichtig sind 

Dass die Digitalisierung auch in die Musikbranche Einzug gehalten hat, macht es für Musiker leichter und schwerer zugleich, sich durchzusetzen. Leichter, weil es einfacher geworden ist, Musik zu produzieren und sich selbst zu vermarkten. Aber eben auch schwerer, weil damit unendlich viele Newcomer auf den Markt strömen. Wie behauptet man sich in dieser Branche? Der Kölner BWL-Absolvent Tom Sinke hat in seiner Bachelorarbeit untersucht, welche Rolle lokale Netzwerke neben der digitalen Vermarktung spielen und festgestellt: Köln eignet sich gut als Standort für Musiker. 

Heute vermarktet man sich anders als noch vor zwanzig Jahren. Das weiß auch Johannes Knechtges, Sänger und Gitarrist der Kölner Rockband Lendgold. »Die Mischung macht es«, sagt er. Lendgold setzte sich 2012 durch bei »Köln rockt«, einem Wettbewerb des Kölner Stadtanzeigers für Newcomer-Bands. Der Wettbewerb brachte Knechtges und seine Bandkollegen ein gutes Stück nach vorn, jede Menge Promotion, Medienberichte und Konzerte in Berlin oder Hamburg folgten. »Das war im Startzeitraum eine coole Sache für uns«, so Knechtges. »Aber darauf kann man sich natürlich nicht ausruhen. Man kann ja nicht sagen, ›Hey Leute, wir haben mal vor fünf Jahren einen Wettbewerb gewonnen.‹ « 

Um als Band den Durchbruch zu erlangen, sind persönliche Netzwerke nach wie vor ausschlaggebend. »Solche Netzwerke finden nicht im Internet statt«, sagt Tom Sinke. Sinke hat in seiner Bachelorarbeit die Kölner Musikwirtschaft unter die Lupe genommen. Köln, so resümiert er, verfüge über ein dichtes Netzwerk mit vielen Türöffner-Effekten. »Vieles geht sehr stark Hand in Hand«. Einer der Akteure im Kölner Musikgeschäft ist der Verein Klubkomm. Seit 2010 vertritt er die Interessen von Clubs und Veranstaltern in Köln. Die Klubkomm sieht sich als Mittler zur Stadtverwaltung, kümmert sich um Spielstätten und bildet einen Rahmen, in dem sich die Bands bewegen können. Sie arbeitet zum Beispiel eng zusammen mit den Veranstaltern der c/o Pop, Kölns größtem Musikfestival für Newcomer-Bands aus dem Bereich Pop und elektronische Musik. 

»Natürlich passiert in Berlin noch mehr«, gibt Sinke zu. »Aber in Berlin ist es auch schwerer für Bands, Fuß zu fassen. In Köln hat man schneller persönliche Kontakte aufgebaut.« 

Sinke legte seiner Arbeit ein qualitatives Forschungsdesign zugrunde, definierte in einem Top-Down-Verfahren die lokalen Akteure und bettete seinen Ansatz in die Theorie der relationalen Embeddedness ein, wonach persönliche Beziehungen auf der Basis von Vertrauen basieren. Dabei beschränkte er sich auf den musikalischen Zweig der kommerziell tauglichen Popmusik. Er befragte vier Kölner Bands, neben Lendgold auch die Bands Golf und Neufundland und AnnenMayKantereit. 

Musiker, die in dieser Branche Fuß fassen wollen, stehen vor vollkommen anderen Ausgangsbedingungen: Anders als im Jazz oder mehr noch im Punk oder Metal stoßen sie auf keine geschlossene Szene. »Die Musiker fühlen sich keiner Szene so richtig zugehörig«, sagt Sinke. »Wer beispielsweise bei der Cologne Music Week auftritt, kennt achtzig bis neunzig Prozent seines Publikums nicht. Und das Publikum kennt meist die Musik nicht.« Die Umsonst-Konzerte der Cologne Music Week sind somit ein guter Anreiz: Musikinteressierte kommen, um sich Input zu holen. Was ihnen gefällt, verfolgen sie dann später weiter. 

Die c/o Pop legt Wert auf besondere Spielstätten. Neben der Cologne Music Week als eigenes lokales Festival gibt es auch das Format »Chique Belgique« als Crossover in andere Branchen, in dem das Belgische Viertel und seine Geschäfte zur Festival-Bühne werden. Außerdem ist die c/o Pop eingebunden in ein regionales Netzwerk, die Pop NRW. 

In den letzten Jahren sei in Köln viel passiert und es werde auch weiter verstärkt dahin gearbeitet, glaubt Sinke. Dabei ergebe sich meist aus einem Kontakt ein nächster. Ich denke, dass sich Köln als Ausgangspunkt sehr gut eignet, um von da auch in andere Städte zu kommen.« 

Dass sich in Köln viel tut, davon ist auch Johannes Knechtges überzeugt. Gerade deshalb müsse man am Ball bleiben, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Knechtges betreibt einen Youtube-Channel für Gitarrenunterricht; viele seiner Schüler kommen zu seinen Konzerten. »Die wollen dann wissen, was ich so mache«, sagt er. Es sei wichtig ein Konzept zu haben, Stories zu kreieren. Lendgold produzierte zum Beispiel auf Vinyl, mietete sich in den Abbey Road- Studios ein. In Köln sei es eben anders als auf dem Land, wo das Angebot geringer sei und die Leute quasi von allein kämen. »Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man mal eben eine Band gründet und dann läuft das schon von allein. Aber schließlich ist das für mich nicht nur irgendein Projekt. Sondern meine Musik.«