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Die Anderen sind schlechter als wir

Kognitionspsychologen erklären, warum Menschen andere Gruppen so negativ einschätzen

Zeichnung mit zwei sich gegenüberstehenden Gruppen

Konflikte zwischen Gruppen sind allgegenwärtig: von rivalisierenden Sportvereinen über politische Parteien bis hin zu multinationalen kriegerischen Auseinandersetzungen. In fast allen diesen Konflikten wird die andere Gruppe abgewertet. Kölner Kognitionspsychologen haben eine neue Erklärung, warum Menschen andere Gruppen so negativ einschätzen.

Im Filmklassiker »Das Leben des Brian« von Monty Python aus dem Jahr 1979 plant die »Volksfront von Judäa« die Entführung der Frau des Pontius Pilatus. Ihre Forderung: Die Besatzer sollen binnen zwei Tagen den gesamten »römisch-imperialistischen Staatsapparat « auflösen. Die Römer hätten sie und ihre Väter und Vätersväter und Vätersvätersväter ausbluten lassen. »Was haben sie dafür als Gegenleistung erbracht, frage ich?«, fragt der Anführer der »Volksfront« in die Runde. »Den Aquädukt«, meldet sich eine zaghafte Stimme zu Wort. »Und die sanitären Einrichtungen«, erwähnt ein Anderer. Irgendwann reicht es dem Anführer: »Na gut! Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und den allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?«

Andere Gruppen sind erst mal schlecht – egal, wie viele positive Eigenschaften sie möglicherweise »objektiv « besitzen oder in welchem Verhältnis sie zur eigenen Gruppe stehen. Die eigene Gruppe hingegen bewerten wir grundsätzlich positiv. Dabei reicht schon die eine einzige negative Eigenschaft, um die andere Gruppe als anders zu markieren und alles Positive in den Schatten zu stellen.

Die Kognitionspsychologen Professor Dr. Christian Unkelbach und Dr. Anne Gast untersuchen in der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe 2150 »Die Relativität sozialer Kognition«, wie Menschen und Menschengruppen sich miteinander vergleichen und voneinander abgrenzen: »Sehr viele soziale Realitäten ergeben sich erst durch Vergleiche«, sagt Unkelbach. »Wenn man 20 Liegestützen machen kann, dann ist das nur viel oder wenig, wenn man es mit einem bestimmten Standard vergleicht.« Die Forschergruppe ist am Social Cognition Center Cologne (SCCC), einer Einrichtung der Humanwissenschaftlichen Fakultät, angesiedelt. Insbesondere interessiert Unkelbach und das Team am SCCC, warum Menschen andere Gruppen bei einem solchen Vergleich immer negativer als ihre eigene einschätzen: Warum werden andere Gruppen von Menschen so gerne mit schlechten Eigenschaften verbunden?

Man muss nur eine Linie auf dem Tisch ziehen

Wenn sich zwei Gruppen vergleichen, dann findet sich fast immer jede Gruppe selber besser als die andere, so Unkelbach. »Fußballvereine, Mädchen und Jungen, Schulklassen, politische Parteien. Es können in der Realität natürlich nicht beide besser sein.«

Wie kommt es zu diesem Fehler in der menschlichen Wahrnehmung? Die Diskussion über die sogenannte outgroup derogation, die Abwertung von Außengruppen, ist ein altes Phänomen der Sozialpsychologie. Ist es ein realer Konflikt, der stattfindet? Beispiele wie der Bürgerkrieg in Syrien, bei dem viele Gruppierungen auftreten, die alle historische Ungerechtigkeiten erfahren oder materielle Schäden erlitten haben, finden sich zuhauf. Doch Unkelbach und Gast geht es um Grundsätzlicheres: »Man weiß schon seit langem, dass Gruppen sich auch gegenseitig abwerten, wenn sie keinen Konflikt miteinander haben. Man muss nur eine Linie auf dem Tisch ziehen und schafft damit eine soziale Identität in der Gruppe, die den Mitgliedern hilft, sich besser zu fühlen. « Das wäre dann eine individuelle Motivation, die Anderen abzuwerten.

Die Gründe liegen tiefer

Der Ansatz von Gast und Unkelbach beschreitet neue Pfade. Die Gründe für die menschliche Neigung, andere abzuwerten, liegen für sie in der grundlegenden Verteilung und Ähnlichkeit von guten und schlechten Eigenschaften. »Eine durchschnittliche Person hat mehr positive als negative Eigenschaften«, so Anne Gast. »Diese positiven Eigenschaften sind sich zudem sehr ähnlich: Die meisten Menschen sind sehr freundlich, höflich, hilfsbereit, nicht gewalttätig, nicht psychopathisch; die meisten Menschen sind empathisch.« Mit anderen Worten: Eine große Zahl von Menschen hat viele positive Eigenschaften gemeinsam, und diese positiven Eigenschaften sind auch noch schwer auseinanderzuhalten.

Negative Eigenschaften grenzen Gruppen voneinander ab

Gruppen, die in der Welt existieren, werden jedoch aufgrund ihrer Unterschiede, nicht aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten definiert: 1. FC Köln versus Fortuna Düsseldorf, FDP versus Die Grünen, Russland versus USA. Und da die meisten positiven Eigenschaften Gemeinsamkeiten der Gruppen sind, sind es die negativen Eigenschaften, welche die Gruppen voneinander abgrenzen. Werden aus Menschen soziale Gruppen, werden diese über Unterschiede definiert, und das sind mit hoher Wahrscheinlichkeit schlechte Eigenschaften. Die jeweils eigene Gruppe ist deshalb davon weniger betroffen, weil man Vergleiche aus der eigenen Perspektive trifft: Wie unterscheiden sich die Anderen von uns? Nicht: Wie unterscheiden wir uns von den Anderen? Damit werden die negativen Unterschiede der anderen Gruppe zugeschrieben.

Bei den schlechten Eigenschaften gibt es ein größeres Spektrum als bei den positiven. Sie sind einzigartig, während die positiven sich stärker ähneln. Eine Reihe von Experimenten belegt diese These der Kölner Psychologen. So baten sie zum Beispiel amerikanische Probanden, die zehn schlechtesten und die zehn besten Personen zu benennen, die ihnen einfielen. »Heraus kamen die üblichen Verdächtigen: Hitler, der Teufel, Osama Bin Laden. Auf der anderen Seite Jesus Christus, Martin Luther King und Gandhi «, sagt Unkelbach. »Nur Mickey Maus haben wir herausgenommen. Die wurde auch genannt.« Danach bewerteten andere Probanden die Ähnlichkeit dieser »guten« und »schlechten« Menschen. Wie erwartet waren die »guten« Menschen sich untereinander sehr viel ähnlicher als die »schlechten « Menschen. Gute Menschen scheinen alle auf ähnliche Weise gut zu sein, während Menschen auf einzigartige Weise schlecht sein können. Dieses Phänomen findet sich auch in der Sprache: Die schlechten Eigenschaftswörter sind einzigartig und selten, die guten sind häufig und einander ähnlich.

Laborstudien in virtuellen Welten

Diese Ergebnisse können die Abwertung der anderen Gruppen erklären: »Was Kategorien begründet, sind die Unterschiede. Und was uns unterschiedlich macht, das ist das Negative «, so Unkelbach. So ist die eine Gruppe vielleicht freundlich, warmherzig, hilfsbereit aber ein bisschen arrogant. Die andere ist freundlich, warmherzig, hilfsbereit aber chaotisch. Dadurch machen die negativen Eigenschaften die Gruppen unterscheidbar. »Ihr seid so positiv wie wir, aber dadurch kann ich Euch nicht unterscheiden«, erklärt Unkelbach den Gedankengang. »Die negative Eigenschaft trennt uns.« Gast: »Natürlich ist das nicht komplett schwarzweiß. Man weiß auch um die eigenen negativen Eigenschaften.« Allerdings fanden die Psychologen heraus, dass es für die eigene Gruppe dann mit drei guten Eigenschaften zu einer schlechten Eigenschaft steht, bei den anderen Gruppe ist dieses Verhältnis jedoch 0 zu 1. »Dann heißt es: Aha, Ihr seid die Arroganten, Chaotischen, Frechen und so weiter,« ergänzt Unkelbach.

Eine der Stärken der Psychologen in Köln ist die experimentelle Psychologie. Unkelbach und Gast untersuchen Kausalbeziehungen im Labor. Wichtige Faktoren sind dabei Reaktionszeiten, Blickbewegungen und Bewertungen. Dabei bevorzugen die Psychologen Umwelten, die sie komplett selber herstellen: virtuelle Welten, in denen Effekte einzeln untersucht werden können. Im Labor können sie die Umwelt und den Dateninput bess reit aber ein bisschen arrogant. Die andere ist freundlich, warmherzig, hilfsbereit aber chaotisch. Dadurch machen die negativen Eigenschaften die Gruppen unterscheidbar. »Ihr seid so positiv wie wir, aber dadurch kann ich Euch nicht unterscheiden«, erklärt Unkelbach den Gedankengang. »Die negative Eigenschaft trennt uns.« Gast: »Natürlich ist das nicht komplett schwarzweiß. Man weiß auch um die eigenen negativen Eigenschaften.«

Allerdings fanden die Psychologen heraus, dass es für die eigene Gruppe dann mit drei guten Eigenschaften zu einer schlechten Eigenschaft steht, bei den anderen Gruppe ist dieses Verhältnis jedoch 0 zu 1. »Dann heißt es: Aha, Ihr seid die Arroganten, Chaotischen, Frechen und so weiter,« ergänzt Unkelbach. Eine der Stärken der Psychologen in Köln ist die experimentelle Psychologie. Unkelbach und Gast untersuchen Kausalbeziehungen im Labor. Wichtige Faktoren sind dabei Reaktionszeiten, Blickbewegungen und Bewertungen. Dabei bevorzugen die Psychologen Umwelten, die sie komplett selber herstellen: virtuelle Welten, in denen Effekte einzeln untersucht werden können. Im Labor können sie die Umwelt und den Dateninput besser kontrollieren. »Wir stellen die Ökologie, die sozialeer kontrollieren. »Wir stellen die Ökologie, die soziale Umwelt her. Das Verhältnis vom 1. FC Köln zu Fortuna Düsseldorf in der realen Welt zu untersuchen, wäre zweifellos sehr interessant, aber auch von zu vielen zusätzlichen Effekten überlagert«, so Unkelbach.

Dabei werden Probanden beispielsweise in die Rolle von Weltraumentdeckern versetzt, die auf einem fernen Planeten zwei Gruppen bewerten müssen. Bei solchen Untersuchungen fanden die Psychologen heraus, dass es besonders darauf ankommt, wie distinkt – also abgrenzend – oder wie selten die negative Information ist, um die Unterscheidung zu machen.

Was einzigartig ist, beeinflusst unsere Einstellungen stärker

Anne Gast interessiert sich besonders für die Lernprozesse von Menschen in Bezug auf ihre Einstellungen: das sogenannte Evaluative Konditionieren. Wenn man etwas Positives gemeinsam mit etwas Neutralem beobachtet, dann wird das Neutrale positiver. Genauso verhält es sich umgekehrt: Wenn man etwas Negatives mit etwas Neutralem beobachte, dann wird das Neutrale negativer. Positive oder negative Aufladungen gehen auf neutrale Sachverhalte über. »Wenn Sie ein Ihnen unverständliches chinesisches Schriftzeichen sehen und dazu eine schöne Landschaft, dann wird das Schriftzeichen für Sie positiver besetzt sein«, sagt Gast. Das ist ein basaler Lerneffekt, der in vielen Situationen auftritt. In Untersuchungen mit Dr. Hans Alves und Fabia Högden wiesen Gast und Unkelbach nach, dass auch dieser Effekt davon abhängt, welche Information einzigartig ist. Er ist dann besonders ausgeprägt, wenn nur das chinesische Schriftzeichen mit der schönen Landschaft auftaucht und alle anderen Schriftzeichen mit anderen Bildern.

Wenn Menschen derart stark dazu neigen, Unterschiede zu machen, wenn sie Gutes und Böses gar nicht objektiv lernen – was treibt sie, andere Menschengruppen abzuwerten? »Der negative Eindruck von anderen Gruppen entsteht vollkommen ›unschuldig‹. Er resultiert zunächst nicht daraus, dass Menschen andere Gruppen abwerten möchten, sondern vielmehr aus der Struktur der Umwelt. Man muss niemandem eine böse Intention oder Motivation unterstellen«, sagt Unkelbach. »Gruppen entstehen, weil Menschen die Welt einteilen müssen und möchten. Und die negativen Eigenschaften einer Gruppe erlauben diese Unterteilung; im Guten sind wir uns alle ähnlich, im schlechten unterscheiden wir uns.«

Bei Monty Python bleiben die Römer und Judäer verfeindet bis zum bitteren Ende. Obwohl die Römer zuweilen sogar hilfsbereit waren: einwandfreies Latein lernte man bei ihnen allemal.