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Vortrag: Exil in der Türkei
 

Am Donnerstag, 31. Oktober 2019, um 18 Uhr, spricht Generalkonsul a.D. und Autor Reiner Möckelmann zum Thema "Exil in der Türkei. Deutsche Akademiker nach 1933 in Istanbul und Ankara am Beispiel Ernst Reuters, Ernst E. Hirschs und Fritz Neumarks"

Der Vortrag findet statt im Tagungsraum im Neuen Seminargebäude der Universität zu Köln, 
Albertus Magnus Platz, 50931 Köln (https://lageplan.uni-koeln.de/#!106).


Im Anschluss diskutieren Reiner Möckelmann und Jun-Prof. Dr. Beatrice Hendrich, Orientalisches Institut der Universität zu Köln, gemeinsam mit dem anwesenden Publikum.

 

Ernst Reuter, Ernst E. Hirsch und Fritz Neumark sind höchst unterschiedliche Persönlichkeiten, die eines gemeinsam haben: Alle drei mussten ihre Heimat Deutschland nach 1933 verlassen, um der Verfolgung durch Nationalsozialisten zu entgehen; alle drei fanden Aufnahme in der Türkei Mustafa Kemal Atatürks; und alle drei leisteten einen erheblichen Beitrag zum Aufbau moderner akademischer Strukturen in den neu begründeten oder reformierten Universitäten der Türkei. Dabei leisteten sie nicht nur strukturelle Aufbauarbeit in ihren jeweiligen Fachdisziplinen, sondern trugen auch aktiv zur Ausprägung einer türkischen Forschungsschule in ihren Fächern bei.

  • Ernst Reuter ist uns heute vor allem als Sozialdemokrat und erster West-Berliner Oberbürgermeister der Nachkriegszeit in Erinnerung. Seine Leistungen als Kommunalwissenschaftler in Ankara in den 1930er Jahren sind hingegen weitgehend unbekannt.
  • Ernst E. Hirsch war Jurist, Richter und Professor in Frankfurt/Main, als er wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 alle Ämter verlor und wenig später auf Vermittlung von Philipp Schwartz und der "Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland" einem Ruf an die Universität Istanbul folgte. Dort lehrte er Handelsrecht, wirkte maßgeblich am Aufbau einer modernen rechtswissenschaftlichen Fakultät mit und prägte auch die türkische Gesetzgebung im Handelsrecht. Nach Kriegsende ließ er sich von Ernst Reuter für einen akademischen Neuanfang in Berlin gewinnen, wo er 1953-55 als Rektor der Freien Universität wirkte.
  • Auch der Staats- und Finanzwissenschaftler Fritz Neumark hatte 1933 gerade einen Lehrstuhl in Frankfurt/Main erworben, als er 1933 auf Druck der Nazis entlassen wurde. An der Universität Istanbul fand Neumark Zuflucht und eine neue akademische Aufgabe, der er sich mit nachhaltigem Erfolg widmete. In den 1950er Jahren kehrte er als Professor nach Frankfurt zurück und übernahm zeitweise die Leitung der Goethe Universität.

Türkei-Kenner und Historiker Reiner Möckelmann stellt nicht nur drei bemerkenswerte Gelehrte vor, sondern er führt auch in eine besondere Epoche der Türkisch-Deutschen Beziehungen ein und berichtet von einer Türkei im Aufbruch, die allen Impulsen der Moderne gegenüber, gleich welcher Herkunft, aufgeschlossen war.

 

Reiner Möckelmann diente von 1973 bis 2006 im höheren Dienst des Auswärtigen Amts und nahm verschiedene Funktionen in den Botschaften in Moskau, Lima, Belgrad und Wien wahr. 1992 bis 1996 war er an der Deutschen Botschaft in Ankara tätig, 2003 bis 2006 war er Generalkonsul in Istanbul. Der studierte Soziologe und Nationalökonom hat nach dem Abschied vom diplomatischen Dienst mit historisch-biographischen Studien auf sich aufmerksam gemacht. Viel beachtet wurden "Wartesaal Ankara. Ernst Reuter - Exil und Rückkehr nach Berlin" (Berlin 2013), "Franz von Papen. Hitlers ewiger Vasall" (Darmstadt 2016) und zuletzt "Hannah von Bredow - Bismarcks furchtlose Enkelin gegen Hitler" (Darmstadt 2018).

Beatrice Hendrich ist Juniorprofessorin für Türkische Sprache und Kultur am Orientalischen Seminar der Universität zu Köln. Nach Studien in Mainz und Aachen promovierte sie in Gießen und war anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Universität Hamburg tätig. 2010-2013 forschte sie als Research Fellow und Visiting Scholar im Department of Turkish and Middle Eastern Studies der University of Cyprus, Nicosia. Prof. Hendrich arbeitet v.a. zur Gendergeschichte der türkischen Republik, zur türkischsprachigen modernen Literatur und zur türkisch-muslimischen Gemeinschaft Zyperns in spätkolonialer Zeit.