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Methylchlorid im All entdeckt: Das Molekül ist kein Hinweis auf außerirdisches Leben

Internationales Forschungsteam hat mit Kölner Beteiligung erstmals Spuren von Freon-40 in jungem Sternensystem und Kometen nachgewiesen / Veröffentlichung in „Nature Astronomy“

Ein Forschungsteam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem aus Cambridge/ Massachusetts, Kopenhagen und Köln hat erstmals eine signifikante Konzentration von Freon-40 in einem etwa 400 Lichtjahre entfernten jungen Sternensystem nachgewiesen. Als Datengrundlage dienten die hochauflösenden Aufnahmen der ALMA-Radioteleskope in der chilenischen Atacama-Wüste sowie Daten des Massenspektrometers ROSINA von der Weltraummission Rosetta.

Das auch als Methylchlorid bekannte Freon-40 (CH3Cl) ist das erste sogenannte Organohalogen, das je im interstellaren Raum detektiert worden ist. Organohalogene werden auf der Erde von zahlreichen Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Meeresorganismen produziert, sie gelten daher bislang als sichere Hinweise auf biologisches Leben. Der Nachweis der Freon-40-Spuren im Sternensystem wurde nun im renommierten Fachjournal „Nature Astronomy“ veröffentlicht.

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigt der Fund, wie schwierig es ist, Anwesenheit des Lebens auf molekularer Ebene handfest zu definieren. „Es hat uns sehr überrascht, Freon-40-Moleküle in der Nähe junger, Sonnen-ähnlicher Sterne zu finden“, sagt Edith Fayolle vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, Massachusetts, die Erstautorin der Publikation.

Denn in den Gebieten, wo Freon-40 vom Forschungsteam entdeckt wurde – im Sternensystem IRAS 16293-2422 und beim Kometen 67P/ Churyumov-Gerasimenko – kann es noch kein außerirdisches Leben geben. Die bisherige These von Freon-40 als Lebensindikator ist also nicht mehr haltbar.

„Welche Molekülstrukturen im Weltall zu finden sind, das sind Fragestellungen, die wir auch durch Laborarbeit aufklären“, sagt Dr. Holger S. P. Müller vom I. Physikalischen Institut der Universität zu Köln und Ko-Autor der Publikation. Müller stellte für das Team seine spektroskopische Expertise sowie die „Cologne Database for Molecular Spectroscopy“ (CDMS) bereit, die ein weltweit wichtiges Datenrepositorium zur Identifikation von interstellaren Molekülen ist.

Die Entdeckung des Organohalogens im All lässt, wenn schon kein Beweis außerirdischen Lebens, neue Rückschlüsse auf die Planetenentstehung zu. So müssen Organohalogene dem Forschungsteam zufolge vielmehr Teil der sogenannten Ursuppe, also der Mischung lebensermöglichender Substanzen, gewesen sein, aus der sowohl unser Planet Erde als auch Exoplaneten entstanden sind.

Ko-Autor Jes Jørgensen vom Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen: „Durch das leistungsstarke ALMA-Teleskop können wir mittlerweile Moleküle nachweisen, die Lichtjahre von uns entfernt sind. Der Freon-40-Fund verknüpft unsere Vorstellungen von der prä-biologischen Chemie sogenannter Protosterne mit den Erkenntnissen aus unserem eigenen Sonnensystem.“


Original Veröffentlichung:

Protostellar and Cometary Detections of Organohalogens

Edith C. Fayolle, Karin I. Öberg, Jes K. Jørgensen, Kathrin Altwegg, Hannah Calcutt, Holger S. P. Müller, Martin Rubin, Matthijs H. D. van der Wiel, Per Bjerkeli, Tyler L. Bourke, Audrey Coutens, Ewine F. van Dishoeck, Maria N. Drozdovskaya, Robin T. Garrod, Niels F. W. Ligterink, Magnus V. Persson, Susanne F. Wampfler, and the ROSINA team

Nature Astronomy 1, 703–708 (2017)



Inhaltlicher Kontakt:        

Dr. Holger S. P. Müller

I. Physikalisches Institut

+49 221 470-4528



Presse und Kommunikation:

Frieda Berg

+49 221 470-1704



Weitere Informationen:

The Cologne Database for Molecular Spectroscopy

The Cologne Laboratory Astrophysics Group

The PILS project web-site

Atacama Large Millimetre Array (ALMA)