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Anästhetikum für Fliegenlarven ermöglicht bessere Visualisierung von Organen und Zellen

Neue Technik für die Bildgebung in Fachzeitschrift „Nature Protocols“ veröffentlicht / Schonende Immobilisierung für Live-Imaging

Kleine Abweichungen in der Zusammensetzung einer Zelle können ihre Funktion radikal verändern, und Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder neuronale Funktionsstörungen hervorrufen. Wissenschaftler des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie, des Instituts für Genetik, des CECAD und Center for Molecular Medicine Cologne (CMMC) der Universität zu Köln sowie des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns haben eine Methode entwickelt, um die Zellen in der lebenden Fruchtfliegenlarve zu beobachten und zelluläre Prozesse zu verfolgen. Diese Technik, die in der Fachzeitschrift „Nature Protocols“ veröffentlicht wurde, bietet eine einfache, aber effektive Möglichkeit, die Funktionen von Organen in lebenden Tieren zu untersuchen.

Die Fruchtfliege Drosophila gilt als idealer Modelorganismus in der Genforschung. Schlüsselprozesse und 60 Prozent der Gene der Fruchtfliege sind identisch zum Menschen. Daher haben Wissenschaftler viele genetische Techniken kreiert, um molekulare Prozesse der Entwicklung und menschliche Krankheiten in der Fliege zu untersuchen.

Die meisten Studien wurden am Embryo oder an der ausgewachsenen Fliege durchgeführt, aber auch die Fruchtfliegenlarve bietet ein enormes Forschungspotenzial. Ihr transparenter Körper mit funktionsfähigen Organen – wie Gehirn, Darm und Muskeln – macht die Larve zu einem hervorragenden Forschungsobjekt, um die Dynamik von Zellen und molekularer Vorgänge in lebenden Tieren zu beobachten, erklärt Dr. Parisa Kakanj vom Kölner Institut für Genetik, die die Studie geleitet hat: „Die Zellen in einer Fruchtfliegenlarve sind viel größer als im Embryo. Man kann daher alle Organellen und sogar die kleinsten Prozesse sehen. Das ist das Schöne an diesem System.“

Einige molekulare Prozesse und Interaktionen in einer Zelle können nur durch langzeitige Beobachtung entschlüsselt werden. Das kontinuierliche Krabbeln der Larve macht solche Beobachtung jedoch schwierig. Kakanj hat sich dieser Herausforderung gestellt und eine Methode zur einfachen Immobilisierung der Larven entwickelt. Diese ermöglicht Langzeit-Live-Beobachtungen von Zellen in hoher Auflösung.

In der Vergangenheit setzten Wissenschaftler mechanische Methoden oder Betäubungsmittel ein, um Fruchtfliegenlarven zu immobilisieren. Beide Ansätze hatten jedoch unerwünschte Nebenwirkungen. Zudem war einr gleichzeitige mikroskopische Aufnahme vieler Larven nicht möglich. „Im Gegensatz zu den bisherigen Techniken haben wir eine einfache Methode zur Kurzzeitbehandlung mit Äther, einem klassischen Anästhetikum, entwickelt. Dieser Ansatz ermöglichte eine problemlose Langzeitimmobilisierung vieler Larven“, erklärt Parisa Kakanj.

Um die Leistungsfähigkeit der Technik zu beweisen, untersuchte das Team die Wundheilung bei Fruchtfliegenlarven. Sie analysierten den Einfluss von Insulin und TOR – einem entscheidenden Signalmolekül für Überleben, Wachstum und Vermehrung – auf diesen Prozess. In ihrer Studie erstellten die Wissenschaftler eine Karte mit dem zeitlichen Ablauf der Insulin- und TOR-Signalweg-Aktivität während der Wundheilung. Sie stellten fest, dass eine Senkung der Insulinsignalaktivität am Wundrand die Heilungsprozesse verlangsamt.

Die langfristige mikroskopische Live-Aufnahme gekoppelt mit genetischen Manipulationen eröffnet den Weg zu neuen Aspekten der Biologie und Physiologie: „Diese Technik wird vielen Wissenschaftlern bei der Untersuchung der neuronalen Signalübertragung, des Fettstoffwechsels oder der Tumorbildung helfen und neue Möglichkeiten für die Medikamentenentwicklung eröffnen“, so Kakanj.  

Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Parisa Kakanj
Institut für Genetik der Universität zu Köln
+49-221 470-3528
pkakanjSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:

Frieda Berg
+49 221 470-1704
f.bergSpamProtectionuni-koeln.de

Zur Veröffentlichung:

https://www.nature.com/articles/s41596-019-0282-z